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Parteien, Verbände und Interessengruppen
Verbände und übrige Interessenorganisationen
Nach der Niederlage bei der Abzocker-Initiative unterzog sich die Economiesuisse einer fundamentalen Neustrukturierung. – Beim Schweizerischen Bauernverband wurde erstmals eine Frau zur Vizepräsidentin gewählt. – Sowohl die Gewerkschaften als auch traditionelle Vereine hatten weiterhin mit Mitgliederschwund zu kämpfen. – Vier Krankenkassen verliessen den Dachverband Santésuisse und bildeten eine Konkurrenzorganisation namens Curafutura. – Das frei gewordene VCS-Präsidium wurde mit einer SP-Nationalrätin besetzt.
 
Für die Parolen der Spitzenverbände zu den eidgenössischen Volksabstimmungen siehe die Tabelle Parolen_2012.pdf.
Unternehmer
Für grosse Medienaufmerksamkeit sorgten im März die Austrittsdrohung des Verbands der Schweizerischen Uhrenindustrie (FH) aus der Economiesuisse und die damit einhergehenden Beanstandungen, welche eines der wichtigsten Mitglieder, Swatch-Group-Chef Nick Hayek am Dachverband äusserte. Sowohl in der Debatte um den starken Franken von 2011 wie auch bei der Kampagne gegen den Atomausstieg und bei der Swissness-Diskussion habe sich die Economiesuisse ungeschickt positioniert. Tatsächlich war dieser letzte Punkt wohl der Hauptgrund für den angedrohten Austritt: Der FH war unzufrieden mit der Festlegung des Ständerats im vergangenen Winter, dass Produkte mit dem Label „Swiss-Made“ nur zu 50% wirklich aus der Schweiz stammen müssten. Der Verband hatte für eine Sonderlösung plädiert, die zumindest bei Uhren eine höhere Schwelle von 60% angesetzt hätte. Als sich das Parlament nach längerem Hin und Her im Sommer doch noch für eine generelle Untergrenze von 60% aussprach, war es allein eine Frage der Zeit, bis der FH seine Drohung zurückziehen würde: Nach der gewonnenen 1:12-Abstimmung und der personellen Reorganisation der Economiesuisse (vgl. unten) erfolgte dieser Schritt im November [1].
2013 war für den Wirtschaftsdachverband Economiesuisse ein Jahr enormer Turbulenzen: Trotz einer massiven Gegenkampagne zur Abzocker-Initiative – die Economiesuisse hatte CHF 8 Mio. investiert – stimmte das Volk im Frühling der Vorlage mit 68% Ja-Anteil zu. Bereits im Vorfeld der Abstimmung hatten sich die Negativschlagzeilen über das Verhalten des Verbands gehäuft: So war bekannt geworden, dass eine von Economiesuisse angestellte PR-Agentur Studierende dafür bezahlt hatte, unter falschen Namen Online-Kommentare gegen die Initiative von Thomas Minder (parteilos, SH) zu verfassen. Präsident Rudolf Wehrli beteuerte, dass dies ohne Wissen von Economiesuisse geschehen sei. Dennoch war die öffentliche Debatte ab diesem Zeitpunkt klar von Kritik an der Organisation geprägt, welche durch das Abstimmungsresultat noch zusätzlich befeuert wurde. Der Verbandsspitze wurde vorgeworfen, sie hätte sich arrogant verhalten und die Verbindung zur Schweizer Bevölkerung verloren. In den Medien wurde versucht, die Gründe für das Scheitern und den Imageverlust des einst so renommierten Wirtschaftsvertreters zu eruieren. Man konstatierte dabei ein grundsätzliches Malaise, welches sich durch die Globalisierung ergeben habe: Die Wirtschaft entferne sich zunehmend von der Politik und konzentriere sich auf die weltweite Lage, während politische Diskussionen weiterhin hauptsächlich auf nationaler Ebene geführt würden. Für einen Dachverband wie Economiesuisse werde es dabei immer schwieriger, verschiedene Akteure auf eine gemeinsame Position zu bringen: Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) hätten oft andere Interessen als Grosskonzerne, die Finanzbranche strebe andere Ziele an als der Werkplatz usw. Auch Economiesuisse selbst wurde sich ihrer misslichen Lage zunehmend bewusst. Die Direktion versprach im April eine fundierte Analyse der eigenen Strukturen und Verhaltensmuster mit anschliessender Neuausrichtung. Diese wurde im Sommer vollzogen: Am 19. Juni gaben sowohl Präsident Rudolf Wehrli als auch Direktor Pascal Gentinetta ihre Rücktritte bekannt. Für Gentinetta übernahm ad interim Rudolf Minsch das Amt, der bisherige Chefökonom des Verbands. Wehrli stellte an seinen Nachfolger die Kriterien, dass er ein höheres Arbeitspensum übernehme – Wehrli hatte nur zu 30% für die Economiesuisse gearbeitet – und dass er ein Wirtschaftsvertreter sein müsse, der auch in der Politik über ein ausgebautes Netzwerk verfüge. Dieses habe Wehrli während seiner einjährigen Tätigkeit als Präsident gefehlt. Im August konnte die Findungskommission des Verbands einen Kandidaten mit den verlangten Qualitäten präsentieren: Heinz Karrer, Direktor der Axpo, stellte sich für das Amt des Präsidenten zur Verfügung. Seine Kandidatur stiess auf durchwegs positives Echo: Der ehemalige Profi-Handballspieler hatte bereits in diversen Wirtschaftssektoren Erfahrungen gesammelt; nebst seiner aktuellen Anstellung im Energiebereich etwa bei der Swisscom oder in der Medienbranche bei Ringier. Auch politische Kenntnisse konnte Karrer aufweisen: In den 80er Jahren hatte er den Verband der Schweizer Sportartikel-Industrie geleitet. Sein Umfeld beschrieb ihn als bodenständig, konziliant und kommunikativ. Kurz vor seinem Amtsantritt erläuterte Karrer in einem Interview mit der NZZ, wie er seine künftige Rolle bei der Economiesuisse definiere: Er werde nicht nur die Schnittstelle zwischen Verband und Medien sein, sondern auch den Geschäftsführer mit Rat und Ideen unterstützen. Des Weiteren wolle er den Kontakt zu Politik und Verbandsmitgliedern pflegen, die innere Geschlossenheit erhöhen und die Organisation wieder vermehrt als Expertin für Wirtschaftsfragen positionieren. Auch auf strategischer Ebene reformierte sich die Economiesuisse: Vizepräsident Hans Hess stellte in der Wochenzeitung „Der Sonntag“ drei Kernthemen vor, auf welche sich der Dachverband in Zukunft konzentrieren werde: Aussenwirtschaft – mit einem Schwerpunkt auf die Beziehungen zur EU –, wirtschaftspolitisch günstige Rahmenbedingungen für Unternehmen sowie Energiepolitik. Um eine Verzettelung in verschiedenste Debatten zu vermeiden, soll die Verteidigung spezifischer Interessen fortan an die jeweiligen Branchenvertretungen delegiert werden. Nicht neu eingesetzt werden konnte bis Ende Jahr ein permanenter Direktor für den Verband: Jean-Marc Hensch, ein PR-Berater, welcher vom Vorstandsausschuss bereits zur Wahl vorgeschlagen worden war, musste im Dezember seine Kandidatur wegen eines Herz-Kreislauf-Leidens zurückziehen. Minsch verlängerte daher seine Position als ad-interims-Direktor bis auf Weiteres [2].
Mitte März wurde eine neue wirtschaftsfreundliche Plattform ins Leben gerufen: „Succèsuisse“ soll sich laut deren Gründer, Nationalrat Ruedi Noser (fdp, ZH), für die Verteidigung des schweizerischen Erfolgsmodells einsetzen. Dieses werde zurzeit durch verschiedenste Volksbegehren infrage gestellt; als Beispiele nannte Noser die linke 1:12- und die Mindestlohn-Initiative sowie die immigrationskritischen Anliegen Ecopop und die Initiative gegen Masseneinwanderung. Es stünden bereits 200 bis 500 Unternehmen hinter Succèsuisse, man wolle sich künftig mit Economiesuisse und dem Gewerbeverband koordinieren [3].
Der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) übernahm im Berichtsjahr die Kampagnenleitung gegen die 1:12-Initiative der Jungsozialisten. Nach der herben Abstimmungsniederlage im Frühling (vgl. oben) war Economiesuisse sowohl von Politikern als auch von mitstreitenden Interessenvertretern als zu angeschlagen beurteilt worden, um sogleich in die nächste Kampagne für einen wirtschaftsliberalen Standort Schweiz einzusteigen. Auch wenn KMU selten die maximal geforderte Lohnspanne überschreiten würden, sei der SGV von der Vorlage betroffen und somit zur Übernahme der Kampagne geeignet: Verbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler erklärte, dass bei einer allfälligen Abwanderung von Grossunternehmen massive Steuerausfälle und Finanzierungslücken in den Sozialversicherungen entstehen würden. Für diese hätten dann hauptsächlich die KMU aufzukommen. Der Kampf gegen die Initiative erwies sich im November als erfolgreich: Die Stimmbevölkerung lehnte das Begehren mit über 65% Nein-Stimmen ab [4].
Der auf grünes Wirtschaften ausgerichtete Verband Swisscleantech kündigte im März an, sein Wirkungsgebiet auf soziale Themen ausweiten zu wollen: Volksbegehren wie die Abzockerinitiative, 1:12 oder die Mindestlohninitiative würden eine gewisse Wut und ein Misstrauen gegenüber der Wirtschaft in der Bevölkerung aufzeigen. Die Unternehmen müssten darauf eingehen, indem sie vermehrt ihre soziale Verantwortung wahrnähmen und z.B. für eine faire Entlohnung auf allen Stufen sorgten. Gleichzeitig sei der Dialog mit der Bürgerschaft wichtig, um zu erklären, dass die Schweiz auf das liberale Wirtschaftsmodell angewiesen sei und dass man die oben genannten Initiativen daher ablehnen sollte [5].
Der Verband der Treuhänder in der Schweiz beschloss im Sommer, die Dachorganisation freier Berufe (SVFB) zu verlassen. Als Begründung wurde das Abstimmungsverhalten von Nationalrat und SVFB-Präsident Pirmin Bischof (cvp, SO) während den Debatten zur Lex USA angegeben: Bischof habe sich mit seiner Zustimmung zum Gesetz gegen die fundamentalen Interessen des Verbandes gestellt, eine Mitgliedschaft sei daher nicht länger tragbar. Auf den Austritt angesprochen, betonte Bischof, dass im Vorfeld der Ratsdebatten fünf verschiedene Stellungnahmen beim SVFB eingegangen seien: Als Dachverband müsse man die Interessen aller Mitglieder vertreten, was er auch in der kritisierten Abstimmung versucht habe. Dem SVFB werden mit dem Weggang des Treuhänderverbands CHF 15 000 an Mitgliederbeiträgen entzogen [6].
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Landwirtschaft
Der Schweizerische Bauernverband (SBV) beschäftigte sich im Berichtsjahr mit der Thematik einer ausgeglichenen Geschlechtervertretung in seinen Organisationsstrukturen: Als im April die Wahl eines neuen Vizepräsidiums anstand, meldete mit Lieselotte Peter, einer Thurgauer SVP-Kantonsrätin, erstmals eine Frau Interesse für das Leitungsgremium an. Christine Bühler, Präsidentin des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbands, unterstützte ihre Kandidatur mit den Begründungen, dass die Verantwortung auf Bauernhöfen oft von beiden Ehepartnern gemeinsam getragen würde und dass 40% aller Beschäftigten in der Landwirtschaft Frauen seien. Am Wahltag unterlag Peter zwar deutlich gegenüber ihren männlichen Konkurrenten: Gewählt wurde Hans Frei, Präsident des zürcherischen Bauernverbands. Im November wurde dem Anliegen der Bäuerinnen mit einer Statutenänderung aber doch noch zum Erfolg verholfen: Danach haben Frauen künftig festen Anspruch auf einen Sitz im Präsidium des SBV. Mit Christine Bühler ist damit erstmals in der 116-jährigen Geschichte des Verbands eine Frau Vizepräsidentin. Im Bereich der nationalen Politik beschloss die Landwirtschaftskammer des SBV im März, das Referendum gegen die neue Agrarpolitik nicht zu unterstützen. Der Verband lancierte hingegen Ende Jahr zusammen mit der SVP eine Volksinitiative zur Erhaltung der Ernährungssicherheit, welche als indirekte Reaktion auf die Reform des Landwirtschaftsgesetzes gesehen werden kann (vgl. auch oben, Teil I, 4c, Agrarpolitik 2014 bis 2017) [7].
Beim Dachverband der Schweizer Milchproduzenten (SMP) kam es Anfang Februar zum Eklat: Präsident Peter Gfeller und Direktor Albert Rösti (svp, BE) gaben gleichzeitig ihre Rücktritte bekannt. Während einer Medienkonferenz kritisierten sie den Vorstand des SMP massiv: Die Organisation sei faktisch handlungsunfähig geworden, da die Vorstandsmitglieder nationale Massnahmen zwar vordergründig unterstützten, diese dann aber auf regionaler Ebene nicht umsetzten oder sogar unterwanderten. Die Ursache für dieses widersprüchliche Verhalten verorteten die Abtretenden in offenbar vielfach vorliegenden doppelten Interessenbindungen: Die Vorstandsmitglieder seien meistens nicht nur Vertreter der Produzenten, sondern auch des Milchhandels. An einer Delegiertenversammlung im Mai wurde Hanspeter Kern aus Schaffhausen zu Gfellers Nachfolger ernannt. Als Hauptziel seines neuen Amtes gab er die Interessenvertretung der Milchbauern in der Branchenorganisation Milch (BOM) an und betonte, er wolle eine konstruktive Mitarbeit des SMP in diesem Gremium erreichen. Zum neuen Direktor des Verbands wurde im September Kurt Nüesch ernannt, welcher bisher das Amt des stellvertretenden Direktors inne gehabt hatte [8].
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Arbeitnehmer
Die Unia zog im Sommer mit der Bestreikung eines Tankstellenshops des Detailhändlers Spar in Dättwil (AG) die mediale Aufmerksamkeit auf sich. Zehn Angestellte blockierten die Filiale vom 3. bis 14. Juni unter dem Verweis auf nicht zumutbare Arbeitsbedingungen: Wegen Personalmangel würden die Arbeitnehmenden übermässig belastet, der Lohn sei ausserdem mit CHF 3 600 für Ausgebildete zu tief. Spar verurteilte die Blockade des Shops als illegal und kündigte daher allen Streikenden fristlos. Zwar wurde ein Einigungsverfahren im Kanton Aargau eingeleitet, dieses blieb jedoch erfolglos. Das Verhalten der Unia wurde gemeinhin als taktisch ungeschickt beurteilt: Offenbar hatte die Gewerkschaftsleitung gehofft, dass sich der Streik auch auf andere Spar-Filialen ausdehnen würde. Als eine solche Verbreitung jedoch ausblieb, kritisierten einige Gewerkschaftsvertreter die Arbeitsniederlegung als übereilt: Der Streik sei das ultimative Drohmittel einer Gewerkschaft im Umgang mit Arbeitgebenden. Wenn dieses sich als wirkungslos erweisen würde, verliere auch die Organisation selbst an Bedeutung [9].
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Die vom Bundesamt für Statistik jährlich publizierten Mitgliederzahlen der Schweizer Gewerkschaften zeigten, dass auch 2012 der Rückgang organisierter Arbeitnehmender nicht gestoppt werden konnte: Insgesamt waren 738 388 Personen Teil einer Gewerkschaft, rund 1% weniger als noch im Jahr zuvor. Bei einer nationalen Beschäftigungsquote von 4 146 600 im letzten Quartal 2012 ergibt sich daraus ein Brutto-Organisationsgrad von rund 18%. Es gilt allerdings zu beachten, dass in den Mitglieder-Angaben der Gewerkschaften jeweils auch Personen im Ruhestand angegeben werden: Der tatsächliche Organisationsgrad dürfte also etwas tiefer liegen. Grösste Dachgewerkschaft blieb der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB), welcher fast die Hälfte aller Gewerkschaftsmitglieder unter sich vereinigte: Dem SGB gehören Organisationen wie die Unia, der Schweizerische Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) oder die Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV) an. Die zweite Dachorganisation der schweizerischen Arbeitnehmenden, Travail.Suisse, vertrat 2012 22,3% der organisierten Beschäftigten [10].
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Andere Interessenorganisationen
Der Tages-Anzeiger thematisierte in einer Reportage den Niedergang traditioneller Vereine in der Schweiz. Seit Jahrzehnten hätten die zurzeit ca. 78 500 Organisationen mit Mitgliederschwund zu kämpfen: Swissshooting etwa, der nationale Schützenverein, verliere jährlich 5 bis 6% seiner Mitglieder. Beim katholischen Frauenbund seien die Mitgliedschaften in den letzten zehn Jahren gar um ca. 50 000 Teilnehmerinnen gesunken. In Gesprächen mit Experten wurde den Ursachen für diese Entwicklung auf den Grund gegangen: Im 19. Jahrhundert seien Vereine für die Bildung einer nationalen Identität noch von grosser Bedeutung gewesen, das Prinzip und die Praxis des gesellschaftlichen Umgangs von Bürgern hätten sich in ihnen etabliert. Laut Historiker Hans-Ulrich Jost habe der Abstieg in den 1950er Jahren mit Aufkommen der modernen Massenmedien begonnen: Die Versammlungsöffentlichkeit habe an Relevanz verloren. Antonia Fuchs, Geschäftsführerin des katholischen Frauenbundes, vermutete auch eine veränderte gesellschaftliche Mentalität hinter diesem Phänomen: Mit der heutigen Berufstätigkeit fänden viele Leute keine Zeit mehr, sich in einem Verein zu engagieren. Gerade für Politikerinnen und Politiker blieben Vereine jedoch weiterhin zentral, entgegnete Professor Markus Gmür von der Universität Freiburg: Sie könnten sich dort soziale Netzwerke aufbauen und Bekanntheit erlangen, was bei ihrer Karriere von Nutzen sei  [11].
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Die Aktion für eine unabhängige Schweiz (Auns) scheiterte im Sommer mit einer Klage beim Bundesgericht. Sie hatte sich dagegen gewehrt, dass ein Teil der Unterschriften für ihr Referendum gegen das Steuerabkommen mit Grossbritannien von der Bundeskanzlei nicht akzeptiert worden war: Die Unterschriften waren nach Ablauf der staatlichen Frist eingereicht worden, da diverse Genfer Gemeinden sie nach der Beglaubigung nicht auf schnellstmöglichem Weg, sondern per B-Post zurückgeschickt hatten. Wären die Unterschriften rechtzeitig bei der AUNS angelangt, hätte diese das notwendige Quorum von 50 000 Referendumsbefürwortenden erreicht. Das Bundesgericht urteilte, dass sich die Bundeskanzlei korrekt verhalten habe: Es sei Sache der Referendumskomitees, solche Pannen zu antizipieren und entsprechend genügend Zeit einzuplanen [12].
Im September lehnte das Stimmvolk die Initiative der Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA) zur Abschaffung der Wehrpflicht mit äusserst deutlichen 73,2% ab. Laut Exponenten der Organisation habe man die Niederlage zwar erwartet, war aber doch geschockt über das Ausmass der Zurückweisung. Die NZZ kommentierte, dass der schweizerischen Friedensbewegung neue Köpfe fehlen würden: Sie könne für ihre Anliegen nicht mehr so stark mobilisieren wie noch in den 1980er Jahren. Auch die linken Parteien hätten die GSoA im Abstimmungskampf kaum unterstützt. Man müsse sich daher fragen, ob die Leitung der Kampagne gegen die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge einer derart angeschlagenen Interessengruppe anvertraut werden sollte [13].
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Ab dem 1. Januar 2013 waren alle 45 Schweizer Jugendherbergen Mitglieder beim Dachverband Hotelleriesuisse. Gemeinsam wolle man sich künftig für Qualität und Transparenz in der Branche engagieren [14].
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CSS und Helsana, die grösste und drittgrösste Krankenkasse der Schweiz, gaben im April ihren Austritt aus dem Dachverband Santésuisse bekannt. Zusammen mit Sanitas, welche Santésuisse schon 2011 verlassen hatte, begründeten sie eine neue Branchenvertretung namens Curafutura. Auch die Krankenkasse KPT schloss sich ihnen zwei Monate später an. Zum Präsidenten wurde der Tessiner Arzt und Nationalrat Ignazio Cassis (fdp) bestimmt: Er erläuterte, dass Curafutura sich für ein liberales Gesundheitssystem und innovative Versorgungsmodelle einsetzen wolle. Konkret sollen etwa die Rückerstattung zu viel gezahlter Prämien vorangetrieben und ein verfeinerter Risikoausgleich erwirkt werden. Dass man mit einem derart radikalen Schritt die Zusammenarbeit innerhalb von Santésuisse beendet hatte, wurde mit einer wachsenden Heterogenität der Mitgliederinteressen in den letzten Jahren begründet: Es sei immer schwieriger geworden, sowohl kleine als auch grosse Krankenkassen hinter einem gemeinsamen Ziel zu vereinen, was immer öfter zu Blockaden in der Branche geführt habe. Auch Differenzen mit der inzwischen zweitgrössten Krankenkasse, der westschweizerischen Groupe Mutuel, waren wohl verantwortlich gewesen für die Abspaltung von Santésuisse; darauf deutete zumindest der gleichzeitige Austritt von Sanitas und Helsana aus der Allianz Schweizer Krankenkassen (ASK) hin, welche sie zusammen mit der Groupe Mutuel 2011 gegründet hatten. Die NZZ kommentierte, dass die Groupe Mutuel etwa während der parlamentarischen Debatte zum Risikoausgleich gegen eine Verfeinerung und damit gegen die offizielle Verbandshaltung lobbyiert habe. Obwohl Santésuisse mit dem Abgang vier seiner wichtigsten Mitglieder über CHF 4,25 Mio. Beiträge entgehen, blieb der Verband der grösste seiner Art: Im September 2013 betreuten die ihm zugehörigen Krankenkassen 50% aller Versicherten in der Schweiz, während bei den Angehörigen Curafuturas 42% verpflichtet waren. Von Aussenstehenden wurde die Aufspaltung der Krankenversicherungsszene als kontraproduktiver Machtstreit kritisiert, welcher überdies in einer für die Kassen sehr heiklen Phase ausgebrochen sei: Durch die linke Volksinitiative zur Einheitskasse, welche wohl in den nächsten zwei Jahren zur Abstimmung kommen wird, seien die privaten Versicherungsorganisationen in ihrer grundsätzlichen Existenz bedroht. Anstatt sich als „zerstrittenen Haufen“ zu präsentieren, sollten sie zusammenstehen und das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen versuchen [15].
Im Sommer zog man bei Santésuisse drastische personelle Konsequenzen aus dem Debakel der Curafutura-Abspaltung: Direktor Christoph Meier, Vize-Direktor Stefan Holenstein sowie Christian Affolter, Leiter Tarifstrukturen und Anne Durrer, Mediensprecherin für die Westschweiz, beendeten ihre Arbeitsverhältnisse beim Dachverband. Neu in die Geschäftsleitung kam Verena Nold Rebetez, die der Organisation bereits von 2004 bis 2010 als stellvertretende Direktorin gedient hatte [16].
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Beim Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) stand 2013 ein Präsidiumswechsel an: Die grüne Politikerin Franziska Teuscher (BE) war im Vorjahr in den Gemeinderat Stadt Bern gewählt worden und verzichtete aus diesem Grund nebst ihrem Nationalratsmandat auch auf das Spitzenamt beim VCS. Zur Nachfolge liessen sich die beiden Nationalrätinnen Evi Allemann (sp, BE) und Aline Trede (gp, BE) aufstellen. Beide hatten langjährige Erfahrungen in der Verkehrspolitik aufzuweisen: Allemann war seit 2004 Mitglied der parlamentarischen Verkehrskommission, Trede hatte vier Jahre lang die Kampagnen des VCS geleitet. Von Aussenstehenden wurde der Unterschied zwischen den Kandidatinnen hauptsächlich im Politikstil verortet: Trede gebe sich tendenziell kämpferischer und wolle den VCS mit starken Forderungen in der Verbändelandschaft pointierter positionieren. Allemann hingegen sei eher konsensorientiert und sehe den Club als Dienstleistungserbringer, welcher pragmatisch agieren und Allianzen suchen solle. Mitte April entschieden sich die VCS-Delegierten mit 47 von 74 Stimmen für Allemann als neue Präsidentin. Auf sie warteten gleich mehrere Dossiers, welche für den Verband von hoher Relevanz sind: die VCS-Initiative respektive FABI sowie der Kampf gegen die zweite Gotthardröhre, gegen die sog. „Milchkuh-Initiative“ und gegen die Preiserhöhung der Autobahn-Vignette [17].
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Nachdem Otto Sieber, der bisherige Zentralsekretär von Pro Natura, in den Ruhestand getreten war, wurde im März der grüne Baselbieter Landrat Urs Leugger zum Nachfolger ernannt. Der promovierte Biologe hatte sich bereits seit langem beim Naturschutzverband engagiert, u.a. als nationaler Projektleiter für Schutzgebiete und als Co-Präsident der Sektion Baselland [18].
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Weiterführende Literatur
Dumont du Voitel, Caroline, Kooperationen zwischen Profit- und Nonprofit-Organisationen: eine Analyse im Kontext der Corporate Social Responsibility, Hamburg / Zürich 2013.
Lengwiler, Martin, Macht und Ohnmacht der Ärzteschaft: Geschichte des Zürcher Ärzteverbands im 20. Jahrhundert, Zürich 2013.
Rüegger, Stefan / Ackermann, Ewald, Zur Mitgliederentwicklung der Gewerkschaften im Jahr 2012, Bern 2013.
Schie, Susan van, Volunteering as Voluntary Work : the Relevance of the Organizational Context of Sustained Engagement, Zürich 2013.
Shehu Gremaud, Arbesa, Les relations entre le ONG suisses et la DDC: une approche principal-agent, Freiburg 2013.
Wäger, Daniel, Three Essays on Social Movements and Organizations in a Globalizing World, Lausanne 2013.
Willener, Rahel, Erfolgreiches legislatives Lobbying in der Schweiz: zentrale Methoden und Fakten, Bern 2013.
Zimmermann, Adrian, Der SEV in Bewegung: vom Verband zur Gewerkschaft: die Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV seit 1970, Bern 2013.
Johanna Künzler
 
[1] Bund, 1.3.13; SO, 10.3.13; Presse vom 26.11.13; zur Swissness-Debatte vgl. Teil 1, 4a.
[2] NZZ, 23.1.13; AZ, 2.2.13; SoZ, 3.2.13; Presse vom 5.3.13; SoZ, 10.3.13; LT, 11.3.13; NZZ, 20.3.13; BZ, 21.3.13; SoZ, 14.4.13; LZ, 1.5.13; SoZ, 9.6.13; Presse vom 20.6.13; AZ, 28.7.13; Presse vom 13.8.13; SO, 18.8.13; TA, 29.8.13; Presse vom 31.8.13; AZ, 16.11. und 11.12.13; zur Abzocker-Initiative, vgl. oben, Teil I, 4a.
[3] NZZ, 14.3.13; LT, 15.3.13; SGT, 13.4.13 (vgl. auch Teil III a, FDP).
[4] SGT, 5.3.13; BaZ, 17.7.13; zur 1:12-Initiative vgl. oben, Teil I, 4a.
[5] SO, 17.3.13.
[6] BaZ, 6.7.13; zur Lex USA vgl. oben, Teil I, 4b.
[7] SGT, 21.2., 23.2. und 27.4.13; TZ, 7.3.13; NZZ, 27.4. und 16.12.13; Presse vom 21.11.13.
[8] NZZ, 1.2.13; Presse vom 2.2.13; BZ, 30.5.13; NZZ,23.8.13.
[9] Medienmitteilung Unia vom 11.9.13; AZ, 26.6. und 19.9.13.
[10] www.bfs.admin.ch
[11] TA, 19.10.13.
[12] SGT, 6.6.13; vgl. SPJ 2012, S. 435; vgl. auch Teil I, 1c (Volksrechte).
[13] NZZ, 23.9.13; vgl. auch Teil I, 3 (Zivildienst und Dienstverweigerung).
[14] NZZ, 4.1.13.
[15] NZZ, 25.4.13; NZZ und SGT, 27.4.13; NZZ, 2.5., 24.5., 25.5. und 1.6.13; SO, 8.9.13; zu den Sozialversicherungen allgemein vgl. oben, Teil I, 7c.
[16] NZZ, 24.5., 25.5. und 1.7.13; SO, 8.9.13.
[17] SoBli, 13.1.13; NZZ, 14.1.13; Bund, 14.2.13; NZZ, 22.4.13; zu den verschiedenen Verkehrsdossiers vgl. oben, Teil I, 6b.
[18] BLZ, 7.3.14.
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