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Wirtschaft
Geld, Währung und Kredit
Die gute Konjunkturlage veranlasste die Nationalbank zu einer weiteren Erhöhung der Leitzinsen. – Die Nationalbank verteilte den Erlös aus dem Verkauf ihrer überschüssigen Goldreserven. National- und Ständerat empfahlen die Volksinitiative „Nationalbankgewinne für die AHV“ zur Ablehnung. – Das Parlament stimmte einer Erleichterung der Amtshilfe zwischen der schweizerischen Börsenaufsicht und den Überwachungsgremien ausländischer Börsen zu.
Geld- und Währungspolitik
Nachdem sich die Konjunkturlage im Sommer und Herbst eindeutig verbessert hatte, erhöhte die Nationalbank im Dezember den Leitzins um einen Viertelpunkt auf eine Bandbreite von 0,5% bis 1,5% (Dreimonats-Libor). Sie rechtfertigte das geringe Ausmass der Zinserhöhung mit dem Fehlen einer Inflationsgefahr einerseits und der Zaghaftigkeit des Wirtschaftsaufschwungs andererseits [1].
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Der Frankenkurs veränderte sich im Jahresverlauf gegenüber dem Euro kaum. Grösser waren die Schwankungen im Vergleich zum US-Dollar. Erstmals seit längerer Zeit gewann die US-Währung wieder an Wert gegenüber dem Franken und dem Euro. Der Dollarkurs stieg von 1,13 Fr. im Januar auf 1,31 Fr. im Dezember. Der reale exportgewichtete Kurs des Schweizerfrankens war in der ersten Jahreshälfte leicht rückläufig und blieb dann weitgehend stabil [2].
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Die Geldmarktsätze blieben in den ersten drei Quartalen stabil bei 0,75%, dann erhöhten sie sich in Vorwegnahme der Anhebung des Nationalbank-Leitzinses auf rund 1%. Bei den langfristigen Zinssätzen wurde die Talfahrt des Vorjahres vorerst gebremst, setzte sich dann aber bis in den Herbst fort, wo der Zinssatz im September mit 1,8% (für 10-jährige Bundesanleihen) seinen Tiefpunkt erreichte. Bis Jahresende stieg der Satz dann wieder bis auf 2,0% an [3].
Im Herbst legte der Bundesrat die Botschaft zu einer Totalrevision des Anlagefondsgesetzes vor. Dass sich dieses revidierte Gesetz nicht nur mit den herkömmlichen Fonds, sondern auch mit Investmentgesellschaften (z.B. so genannte SICAV) befasst, kommt durch die neue Bezeichnung „Bundesgesetz über kollektive Kapitalanlagen (Kollektivanlagengesetz)“ zum Ausdruck. Der Bundesrat schlug unter anderem die Aufnahme von Bestimmungen über die für Risikokapitalanlagen besonders attraktive Kommanditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen (so genannte „Limited partnership“) vor. Hauptziel der Gesetzesrevision ist es, das Sortiment der auf dem schweizerischen Finanzmarkt angebotenen Anlageformen auszuweiten und an dasjenige der internationalen Konkurrenz anzupassen. Der Bundesrat verzichtete jedoch auf den ursprünglich vorgesehenen Einbezug der Anlagestiftungen, da sich zur Zeit diverse Expertenkommissionen im Rahmen der Neuregelung der Anlagevorschriften für die 2. Säule der Altersvorsorge mit diesem Thema befassen. Neben einer Ausweitung des Geltungsbereichs auf neue Anlageformen sieht die Revision auch eine Anpassung an die neuen Bestimmungen der EU über Anlagefonds und deren Leitung vor [4].
Zu dem vom Bundesrat in die Vernehmlassung gegebenen Vorentwurf für eine Verschärfung des Geldwäschereigesetzes siehe oben, Teil I, 1b (Strafrecht).
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Die Aufteilung des Erlöses von rund 21 Mia Fr. aus dem Verkauf des überschüssigen Goldes der Nationalbank wurde im Berichtsjahr definitiv vorgenommen. Daran änderte auch eine lange Diskussion im Nationalrat im Zusammenhang mit der Behandlung von dringlichen Interpellationen der Fraktionen der SVP, der SP und der GP nichts mehr. Diese hatten nochmals erfolglos verlangt, dass mehr Geld direkt in den AHV-Fonds geleitet werde. Kein Gehör fand auch das neu eingebrachte Argument der SP, mit der Verteilung sei bis nach dem Entscheid über die Kosa-Volksinitiative (siehe dazu unten) zu warten, und bei einer Annahme müsse deren Verteilprinzip angewendet werden. Der Bundesrat schloss sich anfangs Februar der Ansicht des Ständerats an und brachte die in der Verfassung und im Nationalbankgesetz festgelegte Verteilformel für Nationalbankreingewinne (zwei Teile für die Kantone, einen für den Bund) zur Anwendung. Das EFD und die Leitung der Nationalbank verständigten sich in der Folge über den Auszahlungsmodus. Dieses Vorgehen fand Ende April auch die Zustimmung der Generalversammlung der Nationalbank. Die Ausschüttung begann bereits im Mai und wurde Mitte Juli abgeschlossen. Die meisten Kantone verwendeten den Geldsegen für den Schuldenabbau (vgl. dazu unten, Teil I, 5, Finanzhaushalt der Kantone) [5]. Obwohl sich damit das Anliegen der Kantone durchgesetzt hatte, musste der Ständerat aus formellen Gründen beschliessen, den fünf eingereichten Standesinitiativen für einen Zweidrittels-Anteil der Kantone, die er ursprünglich unterstützt hatte, keine Folge mehr zu geben [6].
Noch nicht geregelt war damit die Verwendung des Bundesanteils von rund 7 Mia Fr. Die Linke und die CVP wollten das Geld zur Tilgung der Schulden der IV einsetzen, die SVP wollte die AHV begünstigen und die FDP sprach sich für eine Verwendung zum Schuldenabbau aus. Der Bundesrat selbst gab keine Vorlieben an. Die Spitzen der Bundesratsparteien einigten sich darauf, dass, auch im Sinne eines indirekten Gegenvorschlags zur Kosa-Initiative, die rund 7 Mia Fr. in den AHV-Fonds fliessen sollen. Diese Zuweisung wird allerdings nur vorgenommen werden, wenn Volk und Stände die Kosa-Initiative ablehnen. Noch nicht entschieden wurde, ob das in den Fonds eingelegte Geld dann für die AHV oder die IV verwendet wird [7].
Das Parlament empfahl die Volksinitiative Nationalbankgewinne für die AHV“ (so genannte Kosa-Initiative) ohne direkten Gegenvorschlag zur Ablehnung. Der Ständerat bekräftigte in der ersten Runde der Differenzbereinigung seine Ablehnung des im Vorjahr vom Nationalrat beschlossenen Gegenvorschlags, der den Kantonen nur die Hälfte (statt wie bisher zwei Drittel oder wie in der Initiative vorgeschlagen eine Fixsumme von einer Mia Fr.) des zukünftigen Reinertrags der Nationalbank zusprechen und den Bundesanteil analog zur Initiative mit einer Zweckbindung zugunsten der AHV versehen wollte. Die kleine Kammer stimmte zudem einer Fristverlängerung für die Behandlung der Initiative zu. Der Nationalrat gewährte diese Fristverlängerung ebenfalls. Nachdem beide Kammern die Einzahlung des Bundesanteils von 7 Mia Fr. aus den Goldverkäufen der Nationalbank in den AHV-Fonds im Sinne eines indirekten Gegenvorschlags akzeptiert hatten (siehe oben), sprach sich in der Wintersession dann auch der Nationalrat für eine Ablehnung der Volksinitiative ohne direkten Gegenvorschlag aus. Für die Kosa-Initiative setzten sich nur die SP und die GP ein. Sie sahen als einzige in der Verpflichtung der Nationalbank, dauerhaft die AHV mitzufinanzieren, keine Gefahr für eine unabhängige Notenbankpolitik [8].
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Banken
Das im Rahmen der zweiten Bilateralen Verträge mit der EU ausgehandelte Abkommen über die Zinsbesteuerung trat in Kraft. Da das Referendum nur gegen den Beitritt der Schweiz zum Schengen/Dublin-Abkommen ergriffen worden war, fand zum Zinsbesteuerungsabkommen keine Volksabstimmung statt [9].
Die Bankiervereinigung reagierte negativ auf die Ende 2003 von den bürgerlichen Abgeordneten der beiden Parlamentskammern praktisch einstimmig gutgeheissenen Vorstösse für die Verankerung des Bankgeheimnisses in der Bundesverfassung. Eine solche zusätzliche rechtliche Absicherung erachtete sie als überflüssig. Zudem wäre es ihrer Ansicht nach für den Ruf des schweizerischen Finanzplatzes wenig nützlich, darüber einen Abstimmungskampf durchzuführen und der Linken eine breite und international gut beachtete Plattform für ihre Kritik an den schweizerischen Banken und dem Bankgeheimnis zu geben [10].
Der Zusammenbruch der Fluggesellschaft Swissair hatte vor Augen geführt, dass die nicht dem Bankengesetz und damit der Kontrolle durch die Bankenkommission unterstehenden Betriebssparkassen ein beträchtliches finanzielles Risiko für die Anleger darstellen können. Die WAK des Nationalrats hatte deshalb mit einer Motion ein Verbot der Zulassung neuer derartiger Depositenkassen und die schrittweise Aufhebung der bestehenden gefordert. Gestützt auf eine von ihm in Auftrag gegebene Untersuchung kam der Bundesrat jetzt aber zum Schluss, dass die Anzahl dieser Kassen nicht sehr gross ist und sie zudem in einem finanziell guten bis sehr guten Zustand sind. Ihre Abschaffung wäre deshalb nach Ansicht der Landesregierung unverhältnismässig. Der Nationalrat folgte diesen Argumenten und lehnte die Motion seiner WAK mit 96 zu 47 Stimmen ab [11].
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Börsen
Das Parlament verabschiedete im Berichtsjahr die Teilrevision des Börsengesetzes, welche die Amtshilfe zwischen der schweizerischen Börsenaufsicht und den Aufsichtsgremien ausländischer Börsen erleichtert. Dieser Informationsaustausch wird neuerdings auch ohne vorherige Bewilligung durch die Bankenkommission möglich sein, wenn er der Durchsetzung der Börsenreglemente dient. Der Nationalrat lehnte mit 121 zu 40 Stimmen einen Nichteintretensantrag Schwander (svp, SZ) ab, dem erstens der Informationsaustausch zu weit ging und der zweitens mangelnde Vorkehrungen gegen eine unerwünschte Weitergabe von Informationen durch ausländische Behörden monierte. Im Zentrum seiner Kritik stand die Praxis der US-Börsenbehörden, die Namen von Personen zu publizieren, gegen welche ermittelt wird. Unterstützt worden war Schwander von einem anderen SVP-Vertreter (Baumann, TG), der mit der Ablehnung auch ein Zeichen gegen die von ihm vermutete generelle Nachgiebigkeit der Schweiz gegenüber Forderungen der USA setzen wollte. Im Ständerat gab es mehr Verständnis für die Bedenken von Schwander. Mit knappem Mehr nahm der Rat eine Bestimmung auf, welche die Amtshilfe nur zulässt, wenn die ersuchende Behörde an ein Amts- oder Berufsgeheimnis gebunden ist (was die Veröffentlichung von mittels Amtshilfe erlangter Informationen ausschliessen würde). Zudem verlängerte er die Einsprachefrist von 10 auf 20 Tage. In der Differenzbereinigung hielt der Nationalrat an seiner Fassung fest und setzte sich damit auch in der kleinen Kammer durch. Dabei wurde in beiden Räten betont, dass bei Nichtanerkennung dieser amerikanischen Publikationspraxis ein Ausschluss der schweizerischen Banken von den Börsen der USA drohe [12].
Die von Büttiker (fdp, SO) übernommene Motion Merz (fdp, AR), welche verlangt, dass sich die Effektenhändler im Rahmen der Auskunftspflicht zur Mehrwertsteuer auf das gleiche Berufsgeheimnis berufen können wie die Banken, fand im Berichtsjahr auch in der grossen Kammer Zustimmung [13].
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Weiterführende Literatur
Bernet, Beat, Geld & Geist: Finanzplatz Schweiz zwischen Evolution und Revolution, Zürich 2005.
Die Volkswirtschaft, 2005, Nr. 3, S. 3-41 (Monatsthema: Finanzmarktregulierung und Aufsicht).
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[1] Presse vom 16.12.05.
[2] Schweizerische Nationalbank, 98. Geschäftsbericht 2005, Bern 2006, S. 24 f.
[3] Schweizerische Nationalbank, 98. Geschäftsbericht 2005, Bern 2006, S. 24 f.
[4] BBl, 2005, S. 6395 ff. Vgl. SPJ 2004, S. 89. Eine rechtliche Regelung für die „Limited partnership“ war auch im Parlament gefordert worden (siehe oben, Teil I, 4a, Gesellschaftsrecht).
[5] Zur Diskussion der Interpellationen im NR siehe AB NR, 2005, S. 355 ff.; Bund, 19.1.05 (SP); Presse vom 3.2.05 und AZ, 5.3.05 (BR); AZ, 30.4.05 (Nationalbank); LT, 15.7.05 (Verteilung); TG, 19.9.05 (Verwendung durch die Kantone). Vgl. SPJ 2004, S. 89 f.
[6] AB SR, 2005, S. 1064 ff. Vgl. SPJ 2003, S. 112.
[7] LT, 17.12.05. Über die Verwendung des Bundesanteils orientieren wir detaillierter unten, Teil I, 7c (AHV).
[8] AB SR, 2005, S. 157 ff. und 1220; AB NR, 2005, S. 328 f., 340 ff., 1638 ff. und 1999; BBl, 2005, S. 7269 f. Vgl. SPJ 2004, S. 90.
[9] Vgl, dazu oben, Teil I, 2 (Europe: UE) sowie SPJ 2004, S. 91.
[10] NZZ, 19.2.05. Vgl. SPJ 2003, S. 113 und 2004, S. 91.
[11] AB NR, 2005, S. 999 f. Vgl. SPJ 2002, S. 99.
[12] AB NR, 2005, S. 32 ff., 1005 ff. und 1528; AB SR, 2005, S. 432 ff., 774 f. und 878; BBl, 2005, S. 5993 f.; TA, 8.2.05. Vgl. SPJ 2004, S. 91.
[13] AB NR, 2005, S. 415 f. Vgl. SPJ 2004, S. 91.
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