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Parteien, Verbände und Interessengruppen
Parteien
Von den Regierungsparteien hat sich die SP für einen EG-Beitritt ausgesprochen; die FDP setzte weiterhin auf einen EWR-Vertrag während sich die SVP in der Frage tief gespalten zeigte. – Die Parteienlandschaft ist bei den eidgenössischen Wahlen weiter aufgesplittert worden, da sich rechtsnationalistische und populistische Gruppierungen etablieren konnten und zum Teil in Fraktionsstärke ins Parlament einzogen. – Die Partei der Arbeit konnte sich trotz des Zusammenbruchs der kommunistischen Regimes in Osteuropa behaupten. – Die Grüne Partei bekam weiteren Zuwachs seitens verschiedener kantonaler Gruppierungen und ging gestärkt aus den Wahlen hervor.
Das Parteiensystem
Eine vom Soziologischen Institut der Universität Zürich durchgeführte Studie zu den politischen Parteien und Gruppierungen auf kommunaler Ebene ergab, dass die Interessenvermittlungssysteme auf Gemeindeebene komplexer sind als im allgemeinen angenommen wird. In über 70% der mehrheitlich sehr kleinen Gemeinden der Schweiz sind politische Organisationen vorhanden. Laut dem Bericht machen die ' vier Bundesratsparteien zusammen vier Fünftel der Gruppierungen aus, wobei die FDP mit 26% Anteil vom Total am meisten Lokalsektionen unterhält, gefolgt von SP und CVP. In den meisten Gemeinden existiert ein Mehrparteiensystem, lediglich in 13,9% gibt es nur eine einzige Lokalpartei; mit deutlichem Abstand am häufigsten einzige Partei in einer Gemeinde ist die SVP, die SP ist hingegen praktisch nie allein anzutreffen. In 26,9% der Gemeinden finden sich Zweiparteiensysteme und in den übrigen 59,2% sind es drei und mehr Parteien. Die Antworten auf die Frage nach der Qualität der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Parteien ergaben eine im allgemeinen positive Einschätzung der Zusammenarbeit zwischen einer bürgerlichen Partei und der SP, während das Verhältnis zwischen FDP und CVP nur in einem Fünftel der Fälle als gut bezeichnet wurde [1].
Eine Studie der Universität Genf über die politischen Parteien, deren Eliten und Wählerschaften zeigte, dass im allgemeinen ein tiefer Graben zwischen der Parteiführung und der Basis in bezug auf die Positionierung in einem Rechts-Links-Schema besteht. Traditionelles Blockdenken ist bei der Parteielite noch weitgehend an der Tagesordnung, während bei der Wählerschaft flexiblere Haltungen auszumachen sind [2].
Nachdem schon im Vorjahr verschiedene Anträge Nationalrat Rufs (sd, BE) bezüglich einer Beitragsleistung des Bundes an Parteien, die im Parlament nicht einer Fraktion angehören, abgelehnt worden waren, wurde seine 1990 eingereichte parlamentarische Initiative, welche Beiträge an die fraktionslosen Abordnungen in der Bundesversammlung verlangte, in ein Postulat des Büros umgewandelt und zuhanden der Kommission "Parlamentsreform" überwiesen [3].
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Freisinnig-demokratische Partei (FDP)
Die freisinnig-demokratische Partei verfolgte im Berichtsjahr weiterhin eine Strategie der Personalisierung ihrer Parteipolitik, was laut dem Generalsekretär Christian Kauter die einzige Chance zur Überwindung der Vertrauenskrise in der Wählerschaft seit der Kopp-Affäre darstellt. An den Parteitagen profilierten sich neben Parteipräsident Steinegger (UR) sowie Fraktionschef Pascal Couchepin (VS) auch Gilles Petitpierre (GE), René Rhinow (BL) und die Zürcherinnen Vreni Spoerry und Lili Nabholz [4].
Sowohl in den "Grundsätzen zur Wirtschaftspolitik der neunziger Jahre", welche an der ausserordentlichen Delegiertenversammlung in Basel verabschiedet wurden, als auch in dem am Parteitag in Freiburg gutgeheissenen neuen Parteiprogramm "Zielsetzungen 1991-95 der FDP Schweiz", bekräftigte die Partei die Politik der Deregulierung in Wirtschaft und Gesellschaft, wonach der Staat nur noch wenige Rahmenbedingungen setzen sollte. Dieses Prinzip des "Ordoliberalismus" sollte, der Schweiz die nötigen Voraussetzungen liefern, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Im Parteiprogramm unterstrich die FDP die Notwendigkeit, die Totalrevision der Bundesverfassung als Voraussetzung für die Regierungs- und Parlamentsreform voranzutreiben. Zur Frage der europäischen Integration nahm die Partei eine differenzierte Position ein; falls die EWR-Verhandlungen ein unbefriedigendes Ergebnis zeitigen sollten, will die FDP in einer Urabstimmung alle Parteimitglieder befragen, ob sie für einen Vollbeitritt zur EG oder für einen Ausbau der bilateralen Beziehungen im Rahmen der bisherigen Freihandelspolitik sind. In der Diskussion zur Drogenpolitik äusserten sich die Delegierten positiv zur Möglichkeit der kontrollierten Abgabe von Drogen an Süchtige, lehnten jedoch die Eröffnung weiterer Fixerräume deutlich ab. Ins Programm aufgenommen wurde auch die Befürwortung von marktwirtschaftlichen Instrumenten wie Lenkungsabgaben im Umwelt- und Energiebereich, allerdings unter der Bedingung, dass diese keinerlei fiskalische Nebenzwecke verfolgen und die Teuerung nicht anheizen [5].
Zu den eidgenössischen Abstimmungsvorlagen fassten die Delegierten die Ja-Parole zum Stimm- und Wahlrechtsalter 18, zur Militärstrafgesetzrevision sowie — im Gegensatz zum Vorort — zur Finanzreform, lehnten jedoch die LdU-Initiative zur Förderung des öffentlichen Verkehrs ab. Das Finanzpaket wurde allerdings von rund einem Drittel der Kantonalsektionen zur Ablehnung empfohlen [6].
Der Parteitag in Solothurn Ende August eröffnete den Wahlkampf mit dem Thema Wohnbaupolitik; die Partei forderte eine Lockerung des Mietrechts, den Abbau von Vorschriften im Bauwesen und im Genehmigungsverfahren sowie die vermehrte Ausrichtung der Mieten 'auf den Markt [7].
Bei den Nationalratswahlen büsste die Partei mit sieben Verlusten von allen Parteien am meisten Sitze ein ; mit 1,9% weniger Wähleranteil konnte sie den Schaden jedoch in Grenzen halten. Bei den Wahlen in den Ständerat konnte die FDP gar drei Sitze hinzugewinnen und die CVP als erste Partei ablösen. Bei kantonalen Wahlen verlor die FDP in den Kantonen Freiburg, Graubünden und Tessin insgesamt zehn Sitze, sie konnte diese Verluste jedoch durch Gewinne in andern Kantonen teilweise kompensieren [8].
Wie die VOX-Analyse der Nationalratswahlen zeigte, nahm unter der FDP-Wählerschaft die Gruppe von Personen in leitenden Positionen und jene der mittleren Angestellten weiter zu, während die Anteile der einfachen Angestellten, Arbeiter und Bauern rückläufig waren. Gewählt wird die Partei immer mehr von älteren Leuten — die Wählerschaft im Rentenalter bildete knapp einen Viertel — und von Menschen, die in kleineren oder mittleren Städten leben. Auffallend hoch in der Wählerschaft der FDP ist die Identifikation über den politischen Stil und über die prinzipielle Weltanschauung; dies widerspricht der allgemeinen Tendenz der Themen- und Personenorientierung. Der Verlust eines Teils der Wählerschaft wird in der Studie dadurch erklärt, dass die Partei in Fragen der Asyl-, Europa- und Umweltpolitik, die der FDP-Wählerschaft als wichtigste Probleme erscheinen, zu wenig oder nicht geschlossen auftrat [9].
Der Kongress der Liberalen Internationale in Luzern, an dem Delegierte aus 34 Ländern und Beobachter aus weiteren 20 Ländern teilnahmen, war dem Thema der Minderheiten gewidmet. Durch die Revolutionen und die Aufbruchstimmung in Zentral- und Osteuropa, in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion sowie durch den Demokratisierungsprozess in gewissen Drittweltländern erhielt die Bewegung eine neue Bedeutung und Zuwachs durch die frisch gegründeten Organisationen [10].
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Christlichdemokratische Volkspartei (CVP)
In einem Grundsatzpapier mit dem Titel "Grundzüge der Wirtschaftspolitik der CVP für die 90er Jahre" versuchte die Partei, konstruktive. und konsensfähige Lösungen für die Herausforderungen der 90er Jahre zu erarbeiten. Darin äusserten die Verfasser den Willen, sich für eine ökologisch orientierte, soziale Marktwirtschaft einzusetzen und forderten gleichzeitig die Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz. Laut dem Vizepräsidenten der CVP-Studiengruppe, Peter Buomberger, bilden der Ausgleich und Konsens zwischen den Sozialpartnern und letztlich derjenige zwischen Mensch, Wirtschaft und Umwelt das Fundament' der CVP-Wirtschaftspolitik. Ein ähnliches Standpunkt-Programm hatte die CVP schon 1986, mit Blick auf die Wahlen im Herbst 1987, veröffentlicht [11].
Hinsichtlich der eidgenössischen Abstimmungen fasste die CVP die Ja-Parole zum Stimm- und Wahlrechtsalter 18, zur Militärstrafgesetzrevision (Barras-Reform) und zur Bundesfinanzvorlage, empfahl der Wählerschaft jedoch ein Nein zur Initiative zur Förderung des öffentlichen Verkehrs ("SBB-Initiative ")[12].
In einem Thesenpapier zur Wohnpolitik forderte die Partei einerseits marktwirtschaftlich wirksame Mechanismen in der Preisgestaltung des Immobilienmarktes, andererseits aber auch verschiedenste Instrumente staatlicher Intervention zugunsten eines sozialen Ausgleichs; im übrigen schlug sie die Gründung einer eidgenössischen Hypothekarbank vor [13].
Bei der Ausarbeitung des neuen Parteiprogramms, das den Titel "Zukunft für alle" trägt, versuchte die Programmkommission unter der Leitung von Ständerat Cottier (FR) einerseits, die Positionen der verschiedenen Flügel innerhalb der Partei auf einen Nenner zu bringen, andererseits aber auch die Attraktivität der schon seit Jahren an einer starken Erosion leidenden Partei durch eine Anpassung an neue soziale Gegebenheiten zu erhöhen [14]. So wurde die Umschreibung der Familie als ein tragendes Fundament unserer Gesellschaft, welche noch im Programm von 1987 eine zentrale Stellung innehatte, durch eine Formulierung, die auch andere Gemeinschaftsformen als diejenige der traditionellen Familie befürwortet, ersetzt [15]. Während das "Solothurner Programm" von 1987 als Schwerpunkt die drohende Umweltzerstörung thematisiert hatte, ist das neue Programm weitgehend durch bestimmte Bereiche der internationalen Politik geprägt: Einerseits forderte die CVP im Rahmen der europäischen Integrationspolitik den Bundesrat auf, nach dem Abschluss der EWR-Verhandlungen ein EG-Beitrittsgesuch zu stellen. Andererseits soll die Sicherheits- und Neutralitätspolitik im veränderten europäischen Umfeld neu definiert werden; ebenso sollen Lösungsansätze in der Migrations- und Asylproblematik durch ein striktes Ausfuhrverbot von Kriegsmaterial gesucht werden. Die innenpolitischen Schwerpunkte im Programm betrafen die Landwirtschafts- und Umweltpolitik, die Gentechnologie, die Gleichstellung von Mann und Frau sowie einzelne Problembereiche aus der Sozialpolitik. Die Delegiertenversammlung vom 4. Mai in Weinfelden (TG) verabschiedete das Programm; in der Asylpolitik verlangten die Delegierten zudem eine Straffung des Verfahrens, lehnten jedoch einen Vorstoss der zürcherischen CVP für eine Beschränkung der Asylbewerberzahl auf 25 000 deutlich ab [16]. Die Forderung nach einem Europa der Regionen bildete den Schwerpunkt am Parteitag in Basel [17].
Vor den Wahlen brachte die Parteipräsidentin Eva Segmüller (SG) ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass die schlechten Prognosen für ihre Partei zusätzliche Kräfte mobilisieren würden; dies war jedoch nicht der Fall. Die CVP erlitt bei den Nationalratswahlen eine Einbusse von 1,5 Prozentpunkten bei den Wähleranteilen und sank auf 18,2% (inklusiv CSP-Listen in LU, SZ, SG, VS) ab; in sechs Kantonen verlor sie sieben Sitze und gewann nur in einem ein Mandat neu hinzu. Im Ständerat verlor sie zwei weitere Sitze (SZ, TI), nachdem 1990 schon in Glarus der christlichdemokratische Sitz an die FDP gegangen war [18].
Wie die VOX-Analyse aufzeigte, ist die Wählerschaft der CVP überaltert; mehr als ein Fünftel der Wählerschaft ist im Rentenalter, der grösste Teil wird durch die Kategorie der 40-64jährigen gebildet. Obwohl der Anteil der Bauern weiter zurückging, blieb die CVP eine Partei der ländlichen Gebiete, und das katholische Fundament der Politik bildet weiterhin ihre unbestrittene Basis. Der Rückgang der CVP-Wählerschaft machte sich vor allem in den durch populistischen Protest geprägten Kantonen Tessin, Aargau, Zürich, St. Gallen und Solothurn bemerkbar [19].
Kurze Zeit vor dem im November stattfindenden Parteitag in Freiburg, an welchem die Delegierten im übrigen eine Frauenquote für die nationalen Parteigremien (Delegiertenversammlung, Vorstand und Präsidium) von mindestens einem Drittel guthiessen, kündigten sowohl Parteipräsidentin Segmüller als auch Fraktionspräsident Vital Darbellay (VS) ihren Rücktritt an; neuer Fraktionschef wurde Nationalrat Peter Hess (ZG), und für das Parteipräsidium wurde im Berichtsjahr Ständerat Carlo Schmid (AI) durch die Parteispitze nominiert [20].
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Im Kanton Schwyz wurde die christlich-soziale Parteigruppe neu gegründet, nachdem sie 1971 zusammen mit der Katholisch-Konservativen Partei zur CVP zusammengeschmolzen worden war. Sie beteiligte sich auch mit einer eigenen Liste — verbunden mit derjenigen der CVP — an den Nationalratswahlen. Die Bestrebungen der CSP Uri, sich von der Mutter-Partei loszusagen, führten im Berichtsjahr noch zu keinem Entscheid. Im Kanton Luzern konnte die CSP ihren Sitz im Parlament verteidigen, ebenso bei den Luzerner Stadtwahlen [21].
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Sozialdemokratische Partei (SP)
Das vom SP-Vorstand im Jahre 1990 vorbereitete "Manifest für Europa" wurde am 2. März am Parteitag in Bern von den Delegierten ohne Gegenstimme und bei wenigen Enthaltungen gutgeheissen. Im Manifest fordert die SP den Bundesrat auf, Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Gemeinschaft aufzunehmen, formulierte aber zahlreiche Bedingungen für einen Beitritt. Gemäss den Ausführungen der Partei sei die real existierende EG in vielen Bereichen weit von ihren Vorstellungen eines föderalistisch-demokratischen, sozialen, ökologischen und weltweit solidarischen Europa entfernt; trotzdem sehe sie die Lösungsansätze für die verschiedenen Probleme nur in einer gemeinsamen supranationalen Politik. Sonderfallregelungen für die Schweiz sollten laut dem Manifest in den Bereichen des Lastwagentransitverkehrs sowie der Umweltschutz- und Energiesparziele durchgesetzt werden. Für ihre Zustimmung zu einem Beitritt der Schweiz zur EG stellte die SP aber auch innenpolitische Bedingungen. Diese beinhalten eine gerechte Verteilung neu erwirtschafteten Reichtums zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, eine ökologische Landwirtschaftspolitik, einen Abbau der Miltärausgaben und eine Verstärkung der direktdemokratischen Instrumente in den Bereichen, die nicht durch europäisches Recht abgedeckt werden [22].
Im übrigen verabschiedete die Delegiertenversammlung ebenfalls ein Manifest zur Gleichstellung von Frau und Mann. Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in Gesellschaft, Beruf und Politik soll in zehn Jahren erreicht werden. Als dritter Schwerpunkt wurde die Lancierung von zwei Volksinitiativen im Bereich der Sicherheitspolitik beschlossen. Unter den Titeln "Für ein Verbot der Kriegsmaterialausfuhr" resp. "Für weniger Militärausgaben und mehr Friedenspolitik" wurden die Initiativen unter Mitarbeit der Arbeitsgemeinschaft für Rüstungskontrolle und ein Waffenausfuhrverbot (ARW) sowie des Christlichen Friedensdienstes (CFD) im Mai lanciert. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund, die Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA) und über zwanzig friedens- und entwicklungspolitische Organisationen unterstützten die Initiativen [23]. Vor der Initiativlancierung stellte die Partei die "Grundlagen zur Friedens-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik" vor, welche eine Art Gegenvorschlag zum im April veröffentlichten "Sicherheitsbericht 90" des Bundesrates darstellten [24].
Im Berichtsjahr eingereicht hat die SP die gemeinsam mit dem SGB lancierte Volksinitiative "Zum Ausbau von AHV und IV" [25].
Im Vorfeld der Wahlkampagne griff die Partei den Problemkreis der Asylpolitik auf; der Parteivorstand hiess in einem Thesenpapier die Beschleunigung des Asylverfahrens, die prinzipielle Aufnahme von Tamilen sowie Kurden aus dem Südosten der Türkei als Gewaltflüchtlinge und die Einsetzung einer Unabhängigen Beschwerdeinstanz gut. Im übrigen forderte die SP, dass Asyl grosszügiger gewährt wird und führte aus, dass es mit einer liberaleren Anerkennungspraxis einfacher wäre, negative Entscheide konsequent zu vollzuziehen [26].
Hinsichtlich der eidgenössischen Abstimmungen beschloss die Partei die Ja-Parolen für die Initiative zur Förderung des öffentlichen Verkehrs, für das Stimm- und Wahlrechtsalter 18 und für die Finanzvorlage, hingegen lehnte sie die Barras-Reform, welche sie als Rückschritt in der Behandlung von Dienstverweigerern betrachtete, ab [27].
Uneinigkeit bestand innerhalb der Partei in bezug auf die Frage des Beitritts der Schweiz zum Internationalen Währungsfonds und zur Weltbank. Nachdem das Parlament und unter anderem auch eine Mehrheit der sozialdemokratischen Abgeordneten einen Beitritt befürwortet hatten, setzte sich im Parteivorstand an einer Sitzung, an welcher weniger als die Hälfte der Mitglieder teilnahmen, eine knappe Mehrheit von 25 gegen 22 Stimmen für die Unterstützung des Referendums gegen den Parlamentsbeschluss durch; damit stellte sich der Vorstand gegen den massgeblich an der Vorlage beteiligten Bundesrat Stich. Nach dem Vorstandsentscheid haben mehr als die Hälfte der Fraktionsmitglieder einen Aufruf gegen das Referendum unterschrieben [28].
Eine bei der Bundesanwaltschaft eingereichte Strafanzeige der SP-Fraktion gegen die Verantwortlichen der Geheimorganisationen P-26 resp. P-27 bewirkte bei den bürgerlichen Regierungsparteien — genauso wie die armeekritische Haltung der SP — Unmut, der zu einer erneuten Diskussion über die Berechtigung einer SP-Regierungsbeteiligung führte [29].
Sowohl die seit über zwei Jahren zu beobachtende "Normalisierung" der Verhältnisse innerhalb der Partei, welche sich in einer Ablösung der offenen Flügelkämpfe durch eine Harmonisierung unter den verschiedenen Parteiexponenten sowie durch ein entspanntes Verhältnis zu den Gewerkschaften ausdrückte, als auch hinzugewonnene Mandate bei kantonalen Wahlen führten im Vorfeld der eidgenössischen Wahlen in der SP zu Hoffnungen, die Partei könnte wieder eine Wählerschaft von über 20% ansprechen und Sitze zurückgewinnen. Diese Hoffnungen wurden nicht erfüllt. Die SP stagnierte auf dem Stand der letzten Wahlen und verlor zusätzlich zwei Mandate im Ständerat; die Wahl für die drei übrig gebliebenen Sitze in der kleinen Kammer wurde erst im zweiten Wahlgang zu ihren Gunsten entschieden. Erfolgreicher war die SP hingegen bei den kantonalen Wahlen: insgesamt gewann sie 13 Mandate, davon 9 allein im Kanton Zürich [30].
Die VOX-Analyse ergab, dass die SP — wie auch die SVP — über eine wesentlich jüngere Wählerschaft verfügt als die FDP und die CVP. Wie bei keiner anderen Partei dominierten unter den Wählern und Wählerinnen der SP die mittleren Angestellten und Beamten; der Anteil der einfachen Angestellten und Arbeiter entsprach bei der ehemaligen Arbeiterpartei hingegen dem Mittel aller Parteien [31].
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Schweizerische Volkspartei (SVP)
Die SVP verabschiedete an der Delegiertenversammlung in Freiburg vom 16. Februar ihr Parteiprogramm 91. Im über 60 Seiten umfassenden Dokument wurden sämtliche für die SVP wesentlichen Politikbereiche abgehandelt, wobei sich die Partei in den Fragen der europäischen Integration sowie in der Aussen- und Sicherheitspolitik einen grossen Interpretationsspielraum liess. Herausstechend war die Forderung nach einem Gemeinschaftsdienst für Männer und Frauen. In den Bereichen Asyl- und Ausländerpolitik und Drogen zeigte die SVP eine restriktive Haltung. In der Frauenpolitik konnten zwar das Lohngleichheitsgebot für Mann und Frau sowie ein gesetzliches Diskriminierungsverbot bei einer Mehrheit Gnade finden, eine Quotenregelung für die Besetzung von wichtigen Parteigremien wurde hingegen abgelehnt [32].
Die Fragen zur Strukturanpassung der Landwirtschaft im Umfeld eines sich wandelnden Europa und der GATT-Verhandlungen hatte die SVP bereits in einer Resolution zur künftigen Landwirtschaftspolitik, welche an der Delegiertenversammlung vom 19. Januar in Sissach (BL) verabschiedet wurde, aufgegriffen. Sie setzte sich darin für die Sicherstellung des bäuerlichen Einkommens, zugunsten einer bodenabhängigen, standort- und umweltgerechten landwirtschaftlichen Produktion, für die effiziente Nutzung der inländischen Produktionsmöglichkeiten, für die Förderung der bäuerlichen Familienbetriebe sowie für die Abgeltung der multifunktionalen Leistungen der Landwirtschaft ein [33].
An der SVP-Neujahrstagung sorgte die von Ständerat Zimmerli (BE) eingebrachte Forderung nach einem Institut für internationale Konfliktforschung in der Schweiz für Aufsehen. Er setzte damit einerseits ein Zeichen für die Öffnung der Partei, andererseits überraschte er das Publikùm mit der Idee einer nicht auf rein militärischer, sondern auch auf kultureller Basis gegründeten Konfliktforschungsidee [34].
Bei den eidgenössischen Abstimungen unterstützte die SVP das Stimm- und Wahlrechtsalter 18, die Militärstrafgesetzreform sowie die Bundesfinanzreform; letztere wurde aber von den Kantonalsektionen Zürich, Bern, Freiburg und Tessin abgelehnt. Einig war sich die Partei in der Ablehnung der Initiative zur Förderung des öffentlichen Verkehrs. Die Jungpartei gab dagegen die Ja-Parole zur SBB-Initiative und die Nein-Parole zur Barras-Reform, welche ihr zuwenig weit ging, heraus [35].
Im Wahlkampf wurde die Asylpolitik zum Hauptthema; vor allem die Zürcher Kantonalpartei prägte auf nationaler Ebene das Bild der Partei in der Öffentlichkeit. Dabei hatte die Petition der zürcherischen SVP, welche vom Bundesrat dringliche Massnahmen gegen den Zustrom von Asylbewerbern verlangte, einen wesentlichen Anteil. Die Ankündigung der Zürcher SVP, eine eidgenössische Volksinitiative gegen die illegale Einwanderung zu lancieren, stiess bei anderen Kantonalparteien auf Unverständnis. Im November gab der SVP-Zentralvorstand bekannt, dass er anfangs 1992 den Entwurf für eine moderatere, für alle Kantonalsektionen akzeptable Volksinitiative vorlegen werde. Der innere Zusammenhalt der Partei litt aber im Berichtsjahr zunehmend in verschiedenen Bereichen; die sich seit längerer Zeit abzeichnenden Divergenzen zwischen der ca. 32 000 Mitglieder zählenden bernischen Kantonalpartei und jener Zürichs, die im übrigen bei den kantonalen Wahlen sechs Sitze und knapp vier Wählerprozente zulegen konnte und auch bei den Nationalratswahlen mit zwei Sitzgewinnen sehr erfolgreich war, offenbarten sich namentlich in der Beurteilung der bundesrätlichen Europapolitik. Während der zürcherische Flügel sich sowohl gegen den EWR als auch gegen einen EG-Beitritt stark machte, zeigte die Berner Kantonalpartei eine offenere Haltung. Auch die Junge SVP stellte sich gegen die Zürcher Sektion, indem sie sich grundsätzlich positiv zu einem EWR-Vertrag aussprach und den Beitritt der Schweiz zum IWF unterstützte [36].
Die im Vorfeld der eidgenössischen Wahlen von der Zürcher und der Thurgauer Sektion erwogene Listenverbindung zwischen SVP und Autopartei kam – zur Erleichterung der nationalen Parteileitung – nicht zustande. Ebenso wurde eine eventuelle Fraktionsgemeinschaft mit der populistischen Lega dei ticinesi von der Parteileitung abgelehnt. Vor den Wahlen kam es in den Kantonen Solothurn und Baselstadt zu Parteineugründungen; in Luzern fanden entsprechende Vorbereitungen statt [37].
Bei den eidgenössischen Wahlen hat die Partei ihr Ziel nur teilweise erreicht: Sie konnte zwar den Wähleranteil von 11 auf knapp 12% erhöhen, gewann aber keinen zusätzlichen Sitz und verharrte auf 25 resp. vier Mandaten im National- und Ständerat. Die SVP ist damit die einzige Regierungspartei, deren Wähleranteil heute höher ist als zum Zeitpunkt der Schaffung der "Zauberformel"; die übrigen Regierungsparteien haben seit 1959 zwischen 2,8 und 7,4 Prozentpunkte verloren [38].
Die VOX-Analyse zeigte, dass die Wählerschaft der SVP zwar immer noch zu einem beträchtlichen Teil aus der Landwirtschaft stammt, dass sie aber auch jünger ist als diejenige der FDP und der CVP [39].
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Liberale Partei (LP)
Am Kongress in Basel, welcher dem Thema "Die Identität der Schweiz im Europa von morgen" gewidmet war, äusserte sich eine Mehrheit für die Vorbereitung eines EG-Beitrittgesuchs. Sowohl welsche als auch deutschschweizerische Vertreter äusserten sich dahingehend, dass eine Integrationspolitik auch unter Wahrung des föderalistischen Gedankenguts als typisch eidgenössisches Identitätsmerkmal möglich sein sollte. Die Partei hielt im weiteren auch an der sicherheitspolitischen Maxime der bewaffneten Neutralität fest [40].
Im Legislaturprogramm äusserte sich die LP auch zugunsten einer raschen Parlamentsreform, für die Anhebung des Rentenalters für Frauen auf 65 Jahre und für die Förderung des Wohneigentums. Im Bereich der. Verkehrs- und Umweltpolitik forderte Nationalrat und Transportunternehmer Friderici (VD) die rasche Fertigstellung des Autobahnnetzes sowie die Erhöhung der Gewichtslimite von 28 auf 40 Tonnen für Lastwagen. Die Probleme im Asylbereich könnten gemäss den Liberalen durch eine Kontingentierung der Asylbewerber gelindert werden. Auch die Zauberformel wurde in Frage gestellt; gemäss den Liberalen sollten die Sozialdemokraten aus der Regierung austreten, um der Exekutive mehr Effizienz zu verleihen [41].
Die Delegiertenversammlung empfahl die Barras-Reform mit 31 zu 30 Stimmen nur ganz knapp zur Annahme. Für das Stimm- und Wahlrechtsalter gab sie ebenfalls die Ja-Parole heraus, hingegen lehnte sie die Bundesfinanzreform und die Initiative zur Förderung des öffentlichen Verkehrs klar ab [42].
Bei den eidgenössischen Wahlen setzte sich die LP vor allem für die Erhaltung ihrer drei Sitze im Ständerat (VD, NE, GE) ein, was ihr auch glückte. Bei den Wahlen in den Nationalrat erhöhte sie ihren Wähleranteil von 2,7 auf 3% und eroberte in der Waadt einen zusätzlichen Sitz [43].
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Landesring der Unabhängigen (LdU)
Der Landesring erlitt im Berichtsjahr durch die Einbusse von acht Sitzen bei den Wahlen ins Zürcher Kantonsparlament den bisher schwersten Rückschlag. Damit wurde im Kanton Zürich der Umbau zu einer sozialen und ökologischen Partei, verbunden mit einem Generationenwechsel, wie dies andernorts schon früher geschehen war, mit grossen Verlusten vollzogen. Der LdU hat in den letzten sechs Jahren über einen Drittel seiner Mandate in den Kantonsparlamenten verloren. In fünf Kantonen, in denen er früher in der Legislative sass, ist er überhaupt nicht mehr vertreten (NE, LU, GR, TG, BL). Da der im Vorjahr aus dem Landesring ausgetretene Zürcher Regierungsrat Gilgen, welcher als Parteiloser erneut kandidierte, die Wiederwahl gegen den LdU-Kandidaten Roland Wiederkehr schaffte, ist der Landesring auch in keiner kantonalen Regierung mehr vertreten [44].
Zu den eidgenössischen Abstimmungen fasste die Partei die Ja-Parole für die Initiative zur Förderung des öffentlichen Verkehrs, für das Stimm- und Wahlrechtsalter 18 sowie die Bundesfinanzreform; die Militärstrafgesetzreform lehnte sie als zuwenig weit gehend jedoch ab [45].
Im Hinblick auf die eidgenössischen Wahlen stellte Parteipräsident Franz Jaeger (SG) fest, dass der Landesring trotz der ,Zürcher Niederlage an seinem ökologisch-sozialliberalen Kurs festhalten werde. Das im April verabschiedete Wahlmanifest, welches diverse Resolutionen zu Themen wie Umweltschutz, Landwirtschaft, Mutterschaftsschutz und Verfassungsrevision enthielt, sowie eine vor der Wahlkampagne geäusserte pointierte Haltung zugunsten einer liberalen Drogenpolitik und eine differenzierte Position zur Asylpolitik konnte den Krebsgang der Partei bei den eidgenössischen Wahlen jedoch nicht stoppen. Der Verlust von 1,4% Wähleranteil ging einher mit drei Mandatseins bussen, womit der LdU nur noch fünf Sitze hält; das Minimalziel der Fraktionsstärke konnte immerhin noch erreicht werden [46].
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Evangelische Volkspartei (EVP)
Die EVP setzte im Berichtsjahr ihre Bemühungen um eine verstärkte Osteuropahilfe fort und forderte unter anderem vom Bundesrat die Souveränitätsanerkennung Litauens. Die EVP unterstützte im Berichtsjahr einerseits grüne Anliegen im Verkehrs- und Umweltbereich, welche auch der LdU als Fraktionspartner forderte; so sprach sie sich an der Delegiertenversammlung im Mai für die Einführung eines Ökobonus und einer Energiesteuer aus. Andererseits nahm sie in der Drogenpolitik eine eigenständige, eher konservative Position ein und stellte sich gegen eine Entkriminalisierung des Drogenkonsums und gegen die kontrollierte Heroinabgabe [47].
Zu allen eidgenössischen Abstimmungen fasste die Partei die Ja-Parole [48].
Bei den kantonalen Wahlen setzte sich der seit Jahren begonnene Abwärtstrend fort; im Kanton Zürich musste die EVP vier weitere Sitze abtreten. Für die Wahlen in den Nationalrat kandidierte sie in sieben Kantonen (ZH, BE, AG, TG, BL, BS, SO), erreichte das Wahlziel eines vierten Mandats aber nicht. Sie stagnierte sowohl sitz- als wähleranteilmässig auf dem Niveau von 1987. Nach den Wahlen wehrte sie sich erfolgreich gegen die Aufnahme der Vertreter der "Lega dei ticinesi" in die LdU/EVP-Fraktion [49].
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Grüne und links-grüne Gruppierungen
Anders als im Wahljahr 1987 präsentierte sich die Grüne Partei vor den Nationalratswahlen 1991 als eine vielfältig kompetente Partei, die über ihr Image einer Einthemenpartei hinausgekommen ist. Fragen der Fiskalpolitik, der Gleichberechtigung der Geschlechter – ein umstrittenes Grundsatzpapier dazu wurde am Parteitag in Rapperswil (SG) nach den Wahlen verabschiedet –, Neue Armut, Sicherheitsund Europapolitik gehörten ebenso zum Inventar der Wahlkampfthemen wie die Umweltpolitik. Im übrigen hat sich die Partei seit den letzten eidgenössischen Wahlen in politischer Hinsicht durch die Integration von Teilen der ehemaligen Grünen Bündnisse von einer eher bürgerlich-grünen zu einer eher links-grünen Organisation gewandelt; der Frauenanteil ist mit über 45% der Mitglieder der höchste von allen Parteien überhaupt und sowohl Partei- als auch Fraktionspräsidium wurden im Berichtsjahr von Frauen gehalten. Gemäss der VOX-Analyse war die GP bei den Nationalratswahlen die einzige nationale Partei mit einer weiblichen Mehrheit in der Wählerschaft [50].
Die Delegiertenversammlung in Lausanne vom 4. Mai beschloss, die Tessiner Sektion "Movimento Ecologista Ticinese" (MET) aus der Partei auszuschliessen, weil sie sich weigerte, die Trennung vom ehemaligen NA-Nationalrat Oehen zu vollziehen. Neu in die nationale Organisation aufgenommen wurden hingegen die Grüne Partei Basel-Stadt sowie das Grüne Bündnis St. Gallen. Im neuen Parteiprogramm, welches die Delegierten verabschiedeten, wurde der bisherige Kurs der Grünen vertieft und Bereiche wie Gleichberechtigung, Wirtschaft und Finanzen, Sicherheits- und Sozialpolitik als Schwerpunkte gesetzt, die auch zu Wahlkampfthemen wurden [51]. Im Kanton Jura wurde das "Mouvement écologiste jurassien" (MEJ) gegründet, welches den Beobachterstatus in der GPS erhielt, für die eidgenössischen Wahlen jedoch nicht kandidierte. In Basel-Stadt stiess die eher bürgerlich orientierte "Grüne Mitte" zum Fusionsprodukt "Grüne Partei Basel-Stadt / Grüne Alternative Basel", während sich im Baselbiet die drei bestehenden grünen Organisationen, "Grüne Partei Baselland", "Grüne Baselland" und "Grüne Liste Baselbiet", zu einer neuen Partei mit dem Namen "Grüne Baselbiet" zusammenschlossen, welche Mitglied der GPS wurde [52].
Zu den eidgenössischen Abstimmungen beschloss die Partei die Ja-Parole für das Stimm- und Wahlrechtsalter 18 sowie für die Initiative zur Förderung des öffentlichen Verkehrs. Beide anderen Vorlagen, das revidierte Militärstrafgesetz und die neue Finanzordnung, lehnte die GP ab. In der Finanzpolitik schlug die GP vor, die Warenumsatzsteuer durch eine Energiesteuer zu ersetzen; nach den eidgenössischen Wahlen verabschiedete sie dazu ein Grundsatzpapier [53].
Die GP lehnte den sicherheitspolitischen Bericht des Bundesrates ab, da dieser die Bedrohungssituation bloss richtig analysiere, jedoch falsche Schlüsse daraus ziehe und in der militärischen Perspektive der Sicherheitspolitik verhaften bleibe. In einem eigenen sicherheitspolitischen Konzept schlug die GPS den UNO-Beitritt, eine verstärkte Teilnahme im Europarat, ein Kriegsmaterialausfuhrverbot und Beiträge der Schweiz an eine unabhängige Friedensforschung vor [54].
Schon im Vorfeld der Wahlkampagne zeigten Meinungsumfragen die starke Diskrepanz zwischen Parteiwählerschaft und Parteiführung in der Haltung zur Europäischen Integration auf. Am Kongress der Europäischen Grünen in Zürich plädierten die Delegierten aus über 20 Ländern für ein Europa der Regionen und stärkten der schweizerischen Organisation damit den Rücken. Im Wahlkampf verwendete die Partei bewusst den Begriff des europäischen Lebens- und Umweltraumes, der erhalten werden müsse, als Kontrast zum Europäischen Wirtschaftsraum [55].
In der Legislaturbilanz grenzte sich die Partei unter anderem deutlich von der SP ab; laut Monika Stocker (ZH) begegne die Leitung der sozialdemokratischen Partei der Frage des wirtschaftlichen Wachstums zunehmend unkritischer [56]. Diese Abgrenzung gegen die SP verdeutlichte sich unter anderem an der Delegiertenversammlung vom 14. September in Luzern, an welcher die GPS beschloss, gegen die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT), welche als Inbegriff eines zerstörerischen Wirtschaftswachstums interpretiert wurde, das Referendum zu ergreifen. Es handelt sich dabei um das erste von der GPS ergriffene Referendum;. Volksinitiativen hat sie noch nie lanciert. Die GP forderte auch einen Abbruch der EWR-Verhandlungen und kündigte Widerstand gegen ein eventuelles EG-Beitrittsgesuch an. Während der NEAT-Referendums-Entscheid nur zu geringer Kontroverse Anlass bot, opponierten welsche Delegierte vergebens gegen die europapolitischenStandortbestimmungen [57].
Ein Graben zwischen Deutschschweiz und Romandie tat sich auch in der Frage einer Unterstützung des Referendums gegen den IWF- und Weltbankbeitritt auf. Um einen grösseren Konflikt zu vermeiden, entschied sich der Vorstand einstimmig, auf nationaler Ebene keine Stellung zu beziehen und den Entscheid den Kantonalparteien zu überlassen [58].
Bei den Nationalratswahlen übertraf die GPS ihr Minimalziel der Konsolidierung der elf Sitze um drei Mandate (neu vierzehn Sitze) und konnte ihren Wähleranteil von 4,9 auf 6,1% erhöhen. Diese Gewinne waren allerdings weitgehend auf die Beitritte von Kantonalsektionen, welche 1987 zum Grünen Bündnis gehört hatten, zurückzuführen. In den Kantonen der Westschweiz ging der Wähleranteil ausser in Neuenburg überall leicht zurück, was laut Parteipräsidentin Gardiol (VD) auf die Tatsache schliessen lässt, dass die Wählerschaft in der Romandie im Gegensatz zu jener in der Deutschschweiz die fundamentalistischen Positionen der GPS bezüglich der Europäischen Integration und der NEAT nicht geschätzt hätte. Bei Wahlen in die kantonalen Parlamente zeigte sich eine rückläufige Bewegung in allen Kantonen ausser Freiburg, wo neu vier grüne Abgeordnete Einsitz fanden [59].
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Die einzige überlebende Sektion der POCH war jene von Basel-Stadt; alle anderen haben sich aufgelöst oder sind in anderen Parteiformationen der grünen oder links-alternativen Kräfte aufgegangen. Einige POCH-Politiker – als Prominentester Nationalrat Herczog (ZH) – waren in die SP eingetreten und vermochten damit ihren Parlamentssitz zu behaupten [60].
Die lokalen, links-alternativen Organisationen, welche ehemals unter der Bezeichnung Grünes Bündnis (GB)/Alternative socialiste verte (ASV) eine Wahlplattform gefunden hatten, blieben in den Kantonen Zürich (Alternative Liste, Frauen macht Politik), Zug (Sozialistisch-Grüne Alternative Zug), Waadt (Alternative socialiste verte–Les verts alternatifs), Graubünden (Autunna verde), Schaffhausen (Grünes Bündnis Schaffhausen) und Bern (Grünes Bündnis Bern) bestehen. Sie schlossen sich im Berichtsjahr mit der "POB-Grüne Baselstadt" zur Wahlplattform "Die Andere Schweiz" (DACH) zusammen; die Programme der beteiligten Gruppierungen setzten je nach Kanton unterschiedliche Akzente, plädierten aber alle für die Abschaffung der Armee, gerechte Wirtschaftsbeziehungen mit der Dritten Welt, eine weniger restriktive Asylpolitik und gegen den Beitritt zu Währungsfonds und Weltbank [61].
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Nachdem die SAP im Jahre 1989 auf nationaler Ebene aufgelöst worden war, blieb sie vor allem als lokale Organisation in der Westschweiz (PSO) und im Tessin (PSL) unter gleichem Namen bestehen; die Tessiner Organisation näherte sich der PSU an, in der sie den Beobachterstatus hat. In der Deutschschweiz blieb eine Basler Sektion bestehen, wichtiger wurde jedoch das Bresche-Forum Zürich, welches weiterhin das – inzwischen seit 20 Jahren erscheinende – Informationsmagazin "Bresche" herausgab [62].
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Partei der Arbeit (PdA)
Der Zusammenbruch der kommunistischen Regimes in Osteuropa sowie die Auflösung der Sowjetunion und der KPdSU konnten entgegen den Erwartungen vieler politischer Beobachter die schweizerische kommunistische Partei, die Partei der Arbeit, nicht in ihren Grundfesten erschüttern. Im Gegenteil, die jüngere Führungsgeneration, welche vor einigen Jahren die Zügel in die Hand zu nehmen begann, äusserte sich sogar positiv zum Zusammenbruch der autoritären Staats- und Parteistrukturen in Osteuropa und der. Sowjetunion. Damit falle, laut Nationalrat Jean Spielmann (GE), das schwere Erbe des real existierenden Sozialismus und Kommunismus der Geschichte anheim. Einzelne Sektionen der PdA haben seit dem Beginn des Auflösungsprozesses des Kommunismus einen Zuwachs an Mitgliedern verzeichnen können [63].
Die Politik der Transparenz in der Sowjetunion hatte schon im Jahre 1990 zur Folge gehabt, dass die Parteiarchive der KOMINTERN mit zahllosen Dokumenten, die bis in die dreissiger Jahre zurückgingen, geöffnet und damit auch der wissenschaftlichen Auswertung zugänglich gemacht wurden. Jean Spielmann und Theo Pinkus hatten in Moskau Gelegenheit, Kopien von Dokumenten auf Mikrofilm anzufertigen und überliessen das Material, welches Einblicke in die Einmischung der KPdSU in die Angelegenheiten der schweizerischen Kommunistischen Partei während der dreissiger Jahre sowie Aufschluss über das Schicksal diverser schweizerischer Kommunisten im stalinistischen Russland gab, zur wissenschaftlichen Auswertung der Universität Lausanne [64].
An zwei Parteitagen erarbeitete die Partei der Arbeit ein neues Programm und revidierte wesentliche Elemente der Statuten, womit auch Änderungen der Bezeichnung der Parteiorgane verbunden waren. Einerseits verschwand in den Statuten das Wort "kommunistisch", andererseits spricht das neue Parteiprogramm immer noch von der kommunistischen Gesellschaft als einer Zielvorstellung. Ebenso verschwand das in den Statuten festgehaltene Prinzip des demokratischen Zentralismus sowie die Namen von Lenin und Engels; das Zentralkomitee wurde in Parteivorstand, das Politbüro in leitenden Ausschuss und der Generalsekretär in Präsident umbenannt. Die Forderung nach Verstaatlichung von Grund und Boden wurde im Programm aufrechterhalten, eine generelle Verstaatlichung der Wirtschaft jedoch abgelehnt. Die zentralen Anliegen des Programms sind die Gleichberechtigung von Mann und Frau, Umweltschutz und mehr Solidarität mit der Dritten Welt. Die PdA sprach sich im übrigen, für ein soziales Europa aus; in der Frage des EG-Beitritts tat sich allerdings ein Graben zwischen der Welsch- und der Deutschschweiz auf [65].
In Basel kam es — nach dem 1988 vorgenommenen Ausschluss der Stadtbasler Sektion aus der PdA Schweiz — zu einer Spaltung in eine "PdA — gegründet 1944", und eine zur PdA Schweiz gehörende "Neue PdA", die im übrigen bei den Nationalratswahlen mit der POB und der SP eine Listenverbindung einging [66].
Bei den Nationalratswahlen erreichte die Partei das Minimalziel, welches sie sich gesteckt hatte: Sie konnte ihr Genfer Mandat halten und in der Waadt einen Sitz erobern. Bei den Kommunalwahlen in Genf gelang es der PdA, vier zusätzliche Mandate und über drei Wählerprozente hinzuzugewinnen [67].
Bei den eidgenössischen Abstimmungen stellte sich die Partei gegen die Finanzvorlage, an der vor allem die wenig konsumentenfreundliche Mehrwertsteuer und die an das Finanzpaket gekoppelte Stempelsteuerrevision kritisiert wurde [68].
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Nationalistische Rechtsparteien
Die Schweizer Demokraten haben zu Beginn des Berichtsjahres die Volksinitiative "für eine vernünftige Asylpolitik" lanciert. Kernpunkte der Initiative sind sofortige Wegweisung illegal eingereister oder rechtskräftig abgewiesener Asylbewerber, eine weitere Verkürzung des Verfahrens auf sechs Monate, die Entbindung der Gemeinden von der Aufnahmepflicht sowie eine verstärkte Hilfe der Schweiz für bedrohte Menschen in den Herkunftsländern. Die im Vorjahr vom Zürcher Nationalrat Meier lancierte' radikalere Volksinitiative "gegen die Masseneinwanderung von Ausländern und Asylanten" kam nicht zustande [69].
Im Hinblick auf die eidgenössischen Abstimmungen beschloss der Zentralvorstand die Ja-Parolen für das Stimm- und Wahlrechtsalter 18 sowie für die SBB-Initiative, lehnte jedoch das Finanzpaket als unsozial und die Barras-Reform als zu weitgehend ab [70].
Die Delegiertenversammlung in Frauenfeld vom 22. Juni brachte klar die europafeindliche Haltung der Partei zutage; ein EG-Beitritt käme laut Zentralpräsident Keller einer faktischen Auflösung der Schweiz gleich [71].
In der Kampagne für die Nationalratswahlen bildetete die Forderung nach einer restriktiven Asylpolitik im Sinne ihrer lancierten Initiative den Schwerpunkt, während der Ruf nach einer repressiven Drogenpolitik und die Ablehnung sowohl des EWR-Vertrags als auch eines möglichen EG-Beitrittsgesuchs an zweiter und dritter Stelle folgten. Die Schweizer Demokraten legten über ein halbes Prozent an Wählerstimmen (ohne Vigilance) hinzu und konnten ihre Vertretung von drei auf fünf Mandate erhöhen; damit erreichten sie ihr gestecktes Ziel, Fraktionsstärke zu erlangen. Wie die Autopartei und die SVP, welche dieselben Schwerpunkte in den Wahlkampfthemen gesetzt hatten, konnten die SD von einer diffusen Proteststimmung in der Wählerschaft profitieren. Im Kanton Bern erreichten sie einen zweiten Sitz und in Baselland, wo die SD wie im Kanton Zürich eine Listenverbindung mit der Auto-Partei eingegangen waren, wurde der Zentralpräsident, Rudolf Keller, neu in den Nationalrat gewählt. Die Partei versuchte, vermehrt die weibliche Wählerschaft anzusprechen und stellte unter anderem im Baselbiet auch eine Frauenliste auf. SD-Kandidaturen gab es in zehn Kantonen; zudem bewarben sich erstmals Vertreter der SD in den Kantonen Luzern, Neuenburg, Aargau und Thurgau um einen Ständeratssitz. Die SD gingen mit der Lega dei ticinesi, welche zwei Nationalräte stellt, eine Fraktionsgemeinschaft ein; die beiden Fraktionspartner haben sich gegenseitig die Freiheit zugesichert, in Einzelfragen — etwa bezüglich der Armee oder der Lex Friedrich — abweichende Ansichten zu vertreten [72].
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Die in neun Kantonen (BE, ZH, VD, SH, BS, AG, SO, BL, GL) existierende EDU, welche eine Politik auf der Basis von christlichen und rechts-konservativen Werten verfolgt, bekämpfte im Berichtsjahr das revidierte Sexualstrafrecht durch die Ergreifung des Referendums; die Partei lehnte von den eidgenössischen Abstimmungen die Vorlage zum Stimm- und Wahlrechtsalter 18 ab. Im Bereich der Europapolitik nahm die EDU eine isolationistische Haltung ein und warnte vor einer Selbstaufgabe der Schweiz. Mit ihrem Parteipräsidenten Werner Scherrer ist die EDU dank einem Sitzgewinn im Kanton Bern erstmals im Nationalrat vertreten; gesamtschweizerisch erreichte die EDU, welche in fünf Kantonen kandidiene (ZH, BE, BS, SH, AG) 1,0% Wähleranteil, im Kanton Bern 3,4% [73].
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Am Parteitag vom 20. April in Glattbrugg (ZH) gab sich die Auto-Partei, welche ihre Prinzipien bisher in Leitlinien festgehalten hatte, zum ersten Mal ein umfangreiches Parteiprogramm. Verkehrs- und Asylpolitik bilden darin die Hauptpfeiler, wobei die grundsätzliche Forderung nach weniger Staat und mehr Freiheit alle Bereiche durchzieht. In der Drogenpolitik sprach sich die AP gegen jegliche Liberalisierung und Legalisierung des Konsums und für eine Arbeitstherapie für Drogenabhängige in geschlossenen Heimen aus. Lediglich bei der Landwirtschaftspolitik gab es inhaltliche Meinungsverschiedenheiten, so dass der entsprechende Artikel von der Programmkommission nochmals überarbeitet werden musste. Der Bereich Europäische Integration und Aussenpolitik wurde mangels einer einheitlichen Linie gar nicht in das Programm aufgenommen [74].
Zu den eidgenössischen Abstimmungen fasste die Auto-Partei die Ja-Parole bezüglich des Wahl- und Stimmrechtsalters 18 und lehnte die Initiative zur Förderung des öffentlichen Verkehrs ab. Ebenfalls abgelehnt wurden die Bundesfinanzreform, weil die direkte Bundessteuer beibehalten wurde, und die Barras-Reform. Die AP unterstützte auch das rechtsbürgerliche Referendumskomitee gegen den Beitritt zum IWF und zur Weltbank [75]. Die im Vorjahr von der AP lancierte Volksinitiative für eine Abschaffung der direkten Bundessteuer kam nicht zustande [76].
Wahlkampfthemen waren vor allem die Asyl- und Drogenpolitik; so sollte der Bundesrat gemäss den Vorstellungen der AP die Genfer Flüchtlingskonventionen kündigen und einen Einwanderungsstopp verhängen, der mit militärischen Mitteln durchgesetzt würde. Eher am Rande figurierte das Thema der Europapolitik; am Parteitag in Kirchberg (SG) vom 31. August lehnte Parteipräsident Scherrer sowohl den EWR-Vertrag als auch einen eventuellen EG-Beitritt ab. Das erklärte Ziel für die Nationalratswahlen war die Fraktionsstärke; die AP schoss mit sechs Sitzgewinnen (neu 8) sogar darüber hinaus und konnte ihren bisherigen Wähleranteil fast verdoppeln (auf 5,1 %), womit sie zu den eigentlichen Wahlsiegerinnen gehörte. Gemäss den Erhebungen der VOXAnalyse hat ungefähr die Hälfte der AP-Wählerschaft aus Unzufriedenheit über die behördliche Asylpolitik für diese Partei gestimmt. Ein Kennzeichen dieser Wählerschaft war im übrigen ein geringes oder sogar vollständig abwesendes Vertrauen in den Staat. Gegenüber 1987 hat sich ein Ausgleich bezüglich Alter und Geschlecht der Wählerschaft ergeben. Auf kantonaler und kommunaler Ebene wurde das rasante Vorprellen der AP – insgesamt 47 Sitzgewinne in kantonalen Parlamenten seit 1987 allerdings etwas gebremst; nur im Kanton Zürich konnte sie neu zwei Mandate gewinnen, im Kanton Baselland ging sie leer aus. Eine neue Kantonalpartei wurde in Appenzell-Ausserrhoden gegründet [77].
Die Absicht, vom Image der Einthemenpartei wegzukommen, äusserte sich auch darin, einen neuen Namen für die Partei zu suchen. Der Vorschlag des Zentralvorstands, eine Umbenennung in "Freie Bürgerpartei Schweiz" vorzunehmen, wurde jedoch von der Delegiertenversammlung abgelehnt; sie behielt somit vorläufig ihren alten Namen [78].
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Andere Parteien
Die Demokratisch-soziale Partei existiert in den Kantonen Zürich, Basel-Stadt, Graubünden, Freiburg und seit November des Berichtsjahres auch in der Waadt, wo bereits vier Lokalsektionen bestanden. In der Stadt Lausanne hatten sich dissidente Sozialdemokraten bereits 1989 zu einer kommunalen DSP zusammengeschlossen. Bei kantonalen Wahlen gelang es der freiburgischen DSP unter Präsident und Staatsrat Félicien Morel, sieben Sitze im Parlament zu erobern; in Graubünden hingegen verlor die Partei die Hälfte ihrer Mandate und erhielt nur noch zwei Sitze. An den Nationalratswahlen beteiligte sich nur die Freiburger Kantonalpartei mit einer eigenen Liste [79].
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Die christlich-soziale Partei des Kantons Freiburg ist für die Nationalratswahlen eine Listenverbindung mit der Demokratisch-sozialen Partei eingegangen. Mit 7,7% Wähleranteil eroberte sie einen Sitz in der Person von Hugo Fasel, der in die CVP-Fraktion aufgenommen wurde. Bei den kantonalen Wahlen eroberte die CSP neun Sitze bei 7,1% Wähleranteil. Die bündnerische CSP versuchte mit einer Mitte-Links-Allianz bei den Nationalratswahlen die CVP zu konkurrenzieren; mit der, Listenbezeichnung Christlichsoziale und Unabhängige – in. einem Wahlbündnis mit der SP, Autunna verde und Jung 91 – erreichte sie 6,9% Wählerstimmen. Die jurassische PCSI hat auf die Teilnahme an den Nationalratswahlen verzichtet [80].
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Die im Januar des Berichtsjahres gegründete Lega dei ticinesi, welche aus einer Gruppierung um den Unternehmer Bignasca und den Journalisten Flavio Maspoli – Herausgeber und Chefredaktor der Gratis-Sonntagszeitung "Il mattino della domenica" – entstanden ist, forderte in ihrem auf die kantonalen Wahlen ausgerichteten Programm einerseits Steuererleichterungen, eine 13. AHV-Rente, eine Reduktion der Krankenkassenprämien sowie eine Tessiner Universität, andererseits aber auch mehr Rechte für Automobilisten, den Ausbau des Gotthard-Autobahntunnels und die Errichtung eines Spielkasinos im Tessin. Der populistischen Protestbewegung, welche gleichzeitig an die Interessen der Pensionierten, der Autofahrer, Transporteure und Bauunternehmer appellierte sowie einen diffusen Antietatismus zum Ausdruck brachte, gelang es auf Anhieb, 12,8% der Wählerstimmen und zwölf Mandate zu gewinnen; die Lega-Wählerschaft bestand vor allem aus Neu- und Jungwählern sowie aus gelegentlichen, ungebundenen Urnengängern [81].
Im Juli riefen die beiden Anführer der Bewegung zu einer Bummelfahrt auf der Autobahn auf, um ihrem Unwillen gegen die Tempobeschränkungen 70/100 Ausdruck zu verleihen; der Aufruf wurde von mehreren hundert Anhängern befolgt. Die Lega konnteihren Bekanntheitsgrad dadurch vor den eidgenössischen Wahlen nochmals erhöhen. Bei den Wahlen in den Nationalrat eroberte die Lega mit 23,5% Wähleranteil zwei Mandate und wurde drittstärkste politische Kraft des Kantons. Bei den Wahlen in den Ständerat konnte sie die CVP verdrängen und eroberte mit dem ehemaligen freisinnigen Morniroli ein Mandat. In der Streitfrage, welcher Fraktion sich die Lega-Vertreter anschliessen sollten, kamen erneut die unterschiedlichen politischen Ansprüche zwischen Präsident Bignasca und Vizepräsident Maspoli zum Vorschein. Schliesslich fand die Lega bei den Schweizer Demokraten Aufnahme in die Fraktion [82].
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Weiterführende Literatur
U. Ayberk e.a., Les partis politiques à coeur ouvert, Genève 1991.
M. Finger / P. Sciarini, "Integrating 'New Politics' into 'Old Politics'. The Swiss Party Elite", in West European Politics, 14/1991, no 1, S. 98 ff.
M. Finger / P. Sciarini, "Les dimensions de l'espace politique suisse et l'intégration de la 'nouvelle politique écologique"', in Revue française de science politique, 41/1991, S. 537 ff.
A. Ladner, Politische Gemeinden, kommunale Parteien und lokale Politik. Eine empirische Untersuchung in den Gemeinden der Schweiz, Zürich 1991.
W. Linder / C. Longchamp / R. Stämpfli, Politische Kultur der Schweiz im Wandel: am Beispiel des selektiven Urnengangs, (Kurzfassung eines Projektes aus dem NFP 21: Kulturelle Vielfalt und nationale Identität) Basel 1991.
C. Longchamp / S. Hardmeier, VOX-Analyse der Nationalratswahlen 1991, Bern 1992.
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H.-G. Betz, "Radikal rechtspopulistische Parteien in Westeuropa", in Aus Politik und Zeitgeschichte, 1991, Nr. 44, S. 3 ff.
J. Hottinger, La pérennité libérale. Propositions pour une analyse à dimension socio-historique de l'implantation du Parti libéral dans le canton de Vaud, Lausanne (mémoire de licence ès sciences politiques) 1991.
R. Nützi, Ein Drittel der Macht: Sozialdemokratische Politik in einer Kleinstadt (Olten 1930-1940), Zürich 1991.
Christlichdemokratische Volkspartei der Schweiz (CVP), Zukunft für alle. Programm 1991-1995, Bern 1991.
Freisinnig-Demokratische Partei der Schweiz (FDP), Dazu stehen wir. Zielsetzungen und Postulate 1991-1995, Bern 1991.
Schweizerische Volkspartei, Parteiprogramm 91, Bern 1991.
Sozialdemokratische Partei der Schweiz, Wahlhandbuch 1991, Bern 1991.
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[1] Lit. Ladner; vgl. auch NZZ, 19.4.91; TW, 20.7.91.
[2] Lit. Ayberk e.a.; siehe auch JdG und 24 Heures, 19.9.91.
[3] Amtl. Bull. NR, 1991, S. 1295 ff. Vgl. auch SPJ 1990, S. 328 und oben, Teil I, 1c (Parlament).
[4] Suisse, 28.4.91.
[5] DV in Basel: NZZ, 28.1.91. Parteiprogramm: Presse vom 27.4. und 29.4.91; L'Hebdo, 2.5.91.
[6] Presse vom 28.1. und 29.4.91.
[7] Presse vom 26.8.91.
[8] Vgl. oben, Teil I, 1e.
[9] Vgl. Lit. VOX.
[10] NZZ, 7.9. und 9.9.91.
[11] L'Hebdo, 4.4.91; Presse vom 12.4.91.
[12] Die Junge CVP sprach sich gegen die von ihr als ungenügend kritisierte Barras-Reform aus (BaZ, 15.4.91). Parolen der Mutterpartei: Presse vom 6.5.91.
[13] NZZ, 31.5.91.
[14] Auch die katholischen Presseorgane verloren weiterhin Marktanteile; siehe dazu Ww, 10.10.91.
[15] Zur Familienpolitik der CVP allgemein vgl. Presse vom 5.9.91.
[16] Vat., 4.5.91; Presse vom 6.5.91. Die Mutterpartei hat im übrigen die Kantonalpartei Aargau gerügt, als sich diese für eine Notrechtsmassnahmen fordernde Asyl-Standesinitiative aussprach (BaZ, 9.9.91).
[17] Presse vom 30.9.91.
[18] Siehe Interview mit E. Segmüller in BüZ, 19.9.91; vgl. auch oben, Teil I, 1e.
[19] Vgl. Lit. VOX.
[20] Parteitag vom 9.11. in Freiburg: Presse vom 11.11.91. Rücktritte: Presse vom 29.10. und 30.10.91. Hess: 24 Heures, 18.11.91. Schmid: Bund, 14.12.91; Ww, 19.12.91.
[21] SZ: Vat., 15.6.91. UR: LZ, 28.11.91. LU: LNN, 23.4.91.
[22] Presse vom 4.3.91; L'Hebdo, 16.5.91. Vgl. auch SPJ 1990, S. 331 und WoZ, 1.3.91.
[23] Parteitag: Presse vom 4.3.91. Ankündigung der beiden Initiativen: NZZ, 28.1. und 25.2.91. Lancierung: BBl, 1991, II, S. 444 ff. und 448 ff.; Presse vom 28.5.91.
[24] Presse vom 8.5.91. Bei der Würdigung des Sicherheitsberichtes im StR stellte sich Miville (BS) gegen die allgemein kritische Haltung seiner Partei (Amtl. Bull. StR, 1991, S. 749 f.).
[25] Siehe oben, Teil I, 7c (Alters- und Hinterbliebenenversicherung).
[26] Bund und NZZ, 27.5.91.
[27] Presse vom 22.4.91.
[28] Express, 28.10.91; SP-Pressedienst, 5.11.91; TA, 22.11.91. Vgl. auch oben,Teil I, 2 (Organisations internationales).
[29] TW, 30.4.91; BZ, 1.5.91; TA, 2.5.91. Siehe dazu auch oben, Teil I, 1c (Regierung)
[30] Wahlprognosen und Rückschau: JdG, 28.9.91; BüZ, 4.10.91. Wahlresultate: siehe oben, Teil I, 1e.
[31] Lit. VOX.
[32] Presse vom 18.2.91.
[33] Presse vom 21.1.91; SVP-Pressedienst, 21.2.91.
[34] Presse vom 7.1.91; SVP ja, 7.2.91.
[35] Presse vom 21.1. und 22.4.91. Junge SVP: NZZ, 18.4.91. Zur Militärstrafgesetzreform hatten die zürcherische SVP, der die Reform zu weit ging, und die waadtländische Sektion auch eine abweichende Parole herausgegeben (24 Heures, 18.5.91; NZZ, 15.5.91).
[36] Wahlkampf: L'Hebdo, 6.6.91; LNN, 27.7.91. Petition: BZ, 4.6.91. Asylpolitik: TA, 9.8. und 21.11.91; SVP-Pressedienst, 16.9.91; Presse vom 11.10.91; LNN, 4.11.91; BaZ, 23.11.91; BüZ, 19.12.91. Europafrage: NZZ, 19.6.91; SGT, 13.7.91; BZ, 20.7.91; SVP-Pressedienst, 29.10. und 11.11.91. Junge SVP: NZZ, 5.11.91. Zum Präsidenten der Zürcher SVP, NR Blocher, vgl. auch L'Hebdo, 12.9.91.
[37] Listenverbindung: Blick, 10.7.91; SN, 10.8.91 (die unbedeutende Genfer SVP ging mit der AP eine Listenverbindung ein: JdG, 11.9. und 11.10.91). Fraktionsgemeinschaft: CdT, 4.6.91; SVP-Pressedienst, 4.11.91. Parteineugründungen: TA, 4.7.91; Vat., 6.7.91. LU: LNN, 26.7.91; LZ, 19.-21.12.91.
[38] NZZ, 17.5.91; SZ, 20.7.91; SVP-Pressedienst, 21.10.91; Bund, 26.10.91; SVP ja, 21.1 1.91. Vgl. auch oben, Teil I, 1e.
[39] Lit. VOX.
[40] Presse vom 27.5.91.
[41] Presse vom 5.7.91 (Legislaturprogramm); 24 Heures, 18.2.91 (Verkehr); JdG, 1.10.91 (Asyl).
[42] NZZ, 18.2. und 25.3.91.
[43] Siehe oben, Teil I, 1e.
[44] Presse vom 9.4.91; L'Hebdo, 23.5.91. Zur Neuorientierung siehe auch SPJ 1990, S. 333 ff.
[45] Presse vom 28.1.91; NZZ, 7.5.91.
[46] Manifest: Presse vom 15.4.91. Drogenpolitik: NZZ, 12.7.91. Wahlkampf: TW, 27.9.91; TA, 7.10.91. Wahlresultate: oben, Teil I, 1e.
[47] AT, 14.2.91 und NZZ, 1 5.4.91 (Osteuropa, EG); Presse vom 6.5.91; NZZ, 20.9.91 (Drogen, Umwelt- und Familienpolitik).
[48] NZZ, 21.1.91; Presse vom 6.5.91.
[49] Siehe oben, Teil I, 1e. Vgl. auch NZZ und CdT, 4.11.91 (Fraktionsgemeinschaft).
[50] BZ, 26.1.91; 24 Heures, 18.2.91. Zur Gleichberechtigung und zur ökologischen Finanzreform: GPS-Informationsdienst, 4.12.91. Wählerschaft: Lit. VOX. Für die Jahre 1992-94 wurde NR Thür (AG) als Fraktionspräsident gewählt, Vizepräsidentin wurde die Luzernerin Cécile Bühlmann (Bund, 12.12.91).
[51] Presse vom 6.5.91.
[52] JU: Dém., 21.8.91. BS: BaZ, 7.2.91; nach der Fusion entstand jedoch aus Kreisen von Fusionsgegnern eine "Neue Grüne Mitte". BL: BaZ,15.8.91.
[53] BaZ, 22.2.91; NZZ, 6.5.91 (Parolen); JdG, 15.5.91 (Energiesteuer); Presse vom 4.11.91 (Grundsatzpapier).
[54] Amtl. Bull. NR, 1991, S. 910 f.; Presse vom 29.5.91.
[55] JdG, 22.2.91; L'Hebdo, 28.3.91; Presse vom 3.6.91 (Europäische Grüne); LNN, 10.8.91 (Wahlkampagne). Siehe auch GPS, Die Schweiz und Europa. Diskussionsgrundlagen für die Standortbestimmung der Grünen Partei der Schweiz, Bern 1991.
[56] Presse vom 4.7.91.
[57] Presse vom 16.9.91; Ww und L'Hebdo, 19.9.91. Ausführliche Begründung des Referendumsentscheids in info-CPS, November 1991 und GPS-Informationdienst, 6.11.91; TW, 12.10.91. Vgl. auch oben, Teil I, 6b (Chemins de fer).
[58] BaZ, 8.11.91; BZ, 12.11.91; GPS-Pressedienst, 16.11.91. Vgl. dazu oben, Teil I, 2 (Organisations internationales).
[59] Siehe oben, Teil I, 1e. Vgl. auch NZZ, 20.9.91; JdG, 4.10.91 (Wahlkampagne); Presse vom 4.11.91 und BZ, 12.11.91 (Gardiol).
[60] Vgl. SPJ 1990, S. 336 f.
[61] NZZ und TA, 14.9.91.
[62] TA, 18.3.91; Vorwärts, 13.6. und 15.11.91. Vgl. auch SPJ 1990, S. 336.
[63] BZ, 15.2.91; BaZ, 7.9.91; JdG, 9.9.91.
[64] Suisse, 6.11.91.
[65] Statuten: Vorwärts, 23.5. und 12.9.91; Presse vom 9.9.91; NZZ, 10.9.91. Programm: BZ, 15.2.91; L'Hebdo, 18.4.91; Presse vom 6.5.91; VO und Vorwärts, 9.5.91; 24 Heures, 27.8.91. Europäische Integration: Vorwärts, 8.11.91. Vgl. auch SPJ 1990, S. 337.
[66] BaZ, 7.9.91; Vorwärts, 5.9.91. Vgl. auch SPJ 1988, S. 324 f.
[67] Siehe oben, Teil I, 1e. Vgl. auch TA, 26.4.91; Vorwärts, 25.10.91; VO, 31.10.91.
[68] JdG, 9.4.91; Vorwärts, 6.6.91.
[69] BBl, 1991, I, S. 106 f. (SD-Initiative) und III, S. 1227 (Meier); Presse vom 12.1.91; Schweizer Demokrat, 1991, Nr. 2. Siehe auch SPJ 1990, S. 337 f. und oben, Teil I, 7d (Ausländerpolitik).
[70] SN, 4.2.91; Schweizer Demokrat, 1991, Nr. 5.
[71] NZZ, 24.6.91. Vgl. auch Schweizer Demokrat, 1991, Nr. B.
[72] Siehe oben, Teil I, 1e. Zu Keller siehe auch Ww, 6.6.91. Fraktionsgemeinschaft: NZZ, 28.11.91.
[73] Siehe oben, Teil I, 1e. Vgl. auch SN, 15.2.91; EDU-Standpunkt, Oktober 1991; NZZ,. 6.11.91. Scherrer blieb im NR fraktionslos.
[74] Presse vom 22.4.91.
[75] NZZ, 28.1.91; TA, 28.10.91; Presse vom 22.11.91.
[76] BBl, 1991, III, S. 997. Vgl. SPJ 1990, S. 338.
[77] Siehe oben, Teil I, 1e sowie Lit. VOX. Vgl. auch L'Hebdo, 8.5.91; NZZ, 18.9.91 (Wahlkampf); SGT, 20.6.91 (Kantonalpartei AR).
[78] Presse vom 28.10. und 25.11.91; Ww, 28.11.91. Vgl. auch SPJ 1990, S. 338.
[79] 24 Heures, 13.11.91; NZZ, 14.1 1.91. Zu den Wahlen siehe oben, Teil I, 1e. Von der im Frühjahr angekündigten Gründung einer nationalen Organisation war später nichts mehr zu hören (BüZ, 10.4.91). Zur Freiburger DSP siehe SPJ 1990, S. 339.
[80] FR: Lib., 19.1 1.91. GR: BüZ, 22.10.91. JU: Dém., 30.8.91. Vgl. auch oben, Teil I, 1e.
[81] CdT und BaZ, 14.1.91; TA, 16.4.91; L'Hebdo, 2.5.91. Vgl. auch CdT, 1.10.91 (Analyse Kantonswahlen).
[82] Bummel-Demo: Presse vom 27.7.91. Wahlen: Siehe oben, Teil I, 1e. Fraktionsgemeinschaft: Presse vom 24.11.91; NZZ, 28.11.91. Zu Bignasca siehe auch TAM, 24.8.91; TA, 24.10.91.
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